Heimliche Cortison-Spritzen

Ermittlungen gegen Ärztin, Apothekerin aus dem Schneider

, Uhr
Berlin -

Eine Ärztin aus Aßlar soll Patienten während der Akupunktur heimlich Cortison gespritzt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung. Nach und nach werden die Ausmaße des Falls klar. So soll die Apotheke, die sich im selben Haus befindet, der Ärztin unfassbare Mengen Cortison geliefert haben. Gegen die Inhaberin wird allerdings derzeit nicht ermittelt.

Aufgedunsene Gesichter, Verdacht auf Nierenversagen, Ausbleiben der Menstruation, Haarausfall, Klinikaufenthalte, wochenlange Krankschreibungen – sind all das Folgen von Akupunkturbehandlungen? Wohl kaum. Das dachten sich wohl auch einige Patienten einer Aßlarer Arztpraxis und forschten nach. Am Ende steht nun ein verstörender Verdacht: Ihre Ärztin hat ihnen während der Akupunktur-Behandlung heimlich Cortison gespritzt.

Der Vermutung der Patienten wird laut einem Bericht der Wetzlauer Neuen Zeitung von zwei Ärzten gestützt. Sie hatten die Patienten untersucht und nach Blutproben festgestellt: Die Körper der Patienten produzierten kaum noch eigenes Cortisol. Der Verdacht auf von außen zugeführtes Cortison habe nahe gelegen. Es folgten Urin- und Haarproben bei neun Patienten. Mittlerweile erstatteten nach Auskunft der Staatsanwaltschaft über 40 ehemalige Patienten Anzeige.

Seit November 2016 ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen die Ärztin wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Praxis wurde zweimal von der Polizei durchsucht. Nach und nach kommt das wahre Ausmaß des Falls ans Licht. Nun wurde die Inhaberin der Apotheke, die die Praxis mit Cortison belieferte, von der Polizei befragt. Sie gab Auskunft zu den bestellten und gelieferten Mengen.

Dabei kam heraus, dass in der Arztpraxis weit mehr Cortison eingesetzt wurde als bislang bekannt. 6100 Ampullen lieferte die Apotheke, die sich im selben Gebäude befinden soll, laut Staatsanwaltschaft im Jahr 2015. Im vergangenen Jahr waren es immerhin noch 3500 Ampullen.

Zum Vergleich: Nachdem die Ärztin dort nicht mehr praktiziert, soll die Praxis, in der eine weitere Ärztin tätig ist, laut Lokalzeitung in den ersten beiden Monaten dieses Jahres insgesamt lediglich 100 Ampullen bestellt haben. Eine andere große hausärztliche Praxis in Dillenburg hatte gegenüber der Zeitung den Verbrauch von Cortison auf maximal 150 bis 200 Ampullen jährlich beziffert. Die Behandlungsgebiete dieser Praxis sollen vergleichbar mit der Aßlarer Praxis sein. Zudem arbeiten dort sogar drei Ärzte.

Für die Apothekerin wird die Causa wohl keine Konsequenzen haben. Nach ihrer Befragung sieht die Staatsanwaltschaft keine strafrechtlich relevanten Verstöße seitens der Pharmazeutin. „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie wusste, dass das Arzneimittel gegen den Willen der Patienten verabreicht worden ist“, sagte ein Sprecher. Auch wenn gegen die Apothekerin derzeit nicht ermittelt wird, dürften sich einige fragen, warum sie es offenbar für vertretbar hielt, innerhalb eines Jahres 6100 Ampullen Cortison an eine Praxis zu liefern, die auf Naturheilverfahren setzt und nicht auf Orthopädie spezialisiert ist.

Dagegen wurde ein Apotheker aus Husum zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil der Arzt in seinem Haus einen florierenden Drogen- und Schwarzmarkthandel betrieb. Dem ansonsten mutmaßlich unbescholtenen Pharmazeuten wurde zum Verhängnis, dass er die Verordnungen des Mediziners beliefert hat, obwohl sie ihm merkwürdig hätten vorkommen müssen. Dass er sich dabei selbst nicht bereichert hat, spielte für das zuständige Amtsgericht keine Rolle.

Auch wenn dem Apotheker im Zusammenhang mit den BtM-Rezepten die konkrete Abgabe im Einzelfall nicht nachgewiesen werden konnte, hätte er der Richterin zufolge die Pflicht gehabt, einzuschreiten und die Belieferung zu verweigern beziehungsweise die zuständigen Aufsichtsbehörden zu informieren.

Verordnung und Abgabe seien bewusst getrennt; in der „Behandlungsgemeinschaft“ gebe es kein Über-/Unterordnungsverhältnis. Apotheker seien daher keine Erfüllungsgehilfen des Arztes, der sich stets auf seine Therapiehoheit berufen könne. Für jede Abgabe gebe es eine formale und inhaltliche Prüfpflicht – ansonsten seien Apotheken nicht mehr als „Rezeptbelieferungsmaschinen“.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

APOTHEKE ADHOC Debatte