ZDF Zoom: „Globuli und guter Glaube“

Hecken: Homöopathie ist ein evidenzfreier Schrebergarten

, Uhr
Berlin -

Homöopathie ist hierzulande die beliebteste alternative Heilmethode. Die sogenannte sanfte Medizin soll nebenwirkungsfrei sein, aber eine Wirkung lässt sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Sicher ist jedoch: Homöopathie ist ein riesiges Geschäft, das sich wachsender Beliebtheit erfreut – auch weil der Gesetzgeber den nötigen Raum einräumt. ZDF Zoom zeigte eine Sendung zu „Globuli und guter Glaube“ und fragte: „Warum gelten für die Homöopathie andere Spielregeln?“

Den Start in der Sendung macht Apothekerin Iris Hundertmark. Etwa 10 Prozent ihres Umsatzes generierte sie durch den Verkauf homöopathischer Arzneimittel, dennoch hat sie Globuli aus dem Sortiment genommen. Etwa 49 Prozent der Deutschen haben bereits ein homöopathisches Arzneimittel ausprobiert, 70 Prozent von ihnen waren mit der Behandlung zufrieden. Laut Institut für Handelsforschung in Köln liegt die Gewinnmarge für Apotheker bei homöopathischen Arzneimitteln zwischen 30 und 36 Prozent. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln seien es im Durchschnitt etwa 20 Prozent. Der Verkauf homöopathischer Arzneimittel ist dem Beitrag zur Folge ein lukratives Geschäft für Apotheker. Von 2013 bis 2017 ist der Absatz homöopathischer Präparate um 13 Prozent auf etwa 53 Millionen Packungen gestiegen. Dabei stieg der Umsatz in Deutschland um 10,9 Prozent auf 602 Millionen Euro.

Annette Schönauer ist als homöopathische Ärztin in einem Krankenhaus tätig. Seit 2004 bietet sie auf der Kinderstation begleitend Homöopathie an, wenn die Eltern dies wünschen. Einem kleinen Patienten mit Bauchschmerzen empfiehlt sie Okoubaka-Globuli – die Rinde eines westafrikanischen Baumes – dreimal täglich je drei Globuli. „Ich habe es jetzt als homöopathisch potenziertes Arzneimittel verschrieben, dass man sozusagen von der Substanz nichts jetzt drin hat, oder fast nichts, in C6 sind ja noch minimale Spuren drinnen“, so die Ärztin.

Im Verfahren der Potenzierung wird ein Ausgangsstoff mit Wasser oder Alkohol verdünnt, bei D-Potenzen im Verhältnis 1:10, bei C-Potenzen im Verhältnis 1:100 je Potenzierungsstufe. Eine C4 entspricht einer Verdünnung von 1:100.000.000 – fünf Milliliter des Ausgangsstoffes in einem vollen Schwimmbecken. Je höher die Verdünnungsstufe desto stärker ist aus Sicht der Homöopathen die Wirkung. Dabei ist immer weniger Ausgangsstoff enthalten. Mit zunehmender Verdünnung steigt die Unwahrscheinlichkeit, dass überhaupt noch Ausgangsmaterial im Präparat enthalten ist. Kann Homöopathie überhaupt wirken, fragt der Reporter.

Professor Dr. Fritz Sörgel steht als Experte zu Seite und testet zwei Präparate – Belladonna und Nux vomica. Zuerst werden zehn Belladonna-Globuli D6 in Wasser aufgelöst und dann im Massenspektrometer untersucht. Es ist kein Ausgangsstoff nachweisbar, so das Ergebnis, nur ein Grundrauschen ist erkennbar. Anders bei Nux vomica, hier können im Labor noch geringste Spuren nachgewiesen werden. Eine Wirkung kann Sörgel dennoch nicht bestätigen. „Das ist eine Menge, die einfach keine Wirkung haben kann. Das ist viel zu wenig. Wir brauchen jetzt hier nicht über irgendwelche pharmakologischen Überlegungen sprechen.“ Für eine pharmakologische Wirkung müssten laut Sörgel etliche Tonnen der Globuli verabreicht werden.

Für Hannes Pröller von Gudjons ist die Potenzierung ein Handwerk und keine Esoterik. Energie sei notwenig um das Wasser zu prägen. Dazu seien Schläge nötig, kein Schütteln. Schlägt man auf das Kissen, sei im Fläschchen die Hölle los und dann werde das Wasser geprägt. Pröller bestätigt zumindest die Kritiker, wenn er sagt, dass im potenzierten Produkt kein Ausgangsmolekül enthalten ist – genau so wie Hahnemann es gewollt hat. „Eine Medizin zu haben, die Information beinhaltet und keine giftigen Moleküle mehr.“ Zwar kann auch Pröller die Wirkung nicht erklären aber zumindest bestätigen, dass die Mittel wirken „zumindest bei denen, die sich nicht dagegen stellen“.

Aber warum sind homöopathische Präparate dann Arzneimittel ohne Wirknachweis? 1978 übten Lobbyisten auf den Gesetzgeber Druck aus, heißt es im Beitrag, homöopathische Arzneimittel von der Evidenz zu befreien. Seitdem müssen die Alternativpräparate lediglich beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) registriert werden. In der Kommission sitzen ausschließlich Homöopathen. Jedes andere Arzneimittel muss durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA, kritisiert, dass für homöopathische Arzneimittel kein Wirknachweis nötig ist. „Wir prüfen bei jedem neuen Arzneimittel, die Evidenz bis zur dritten Nachkommastelle und daneben existiert ein faktisch evidenzfreier Schrebergarten, in dem auf die Kraft von Gottes Natur vertraut wird.“

Wenn man Homöopathie positiv sehen will, kann man sagen, sie wirkt wie ein Placebo, so der wohl prominenteste Kritiker der alternativen Heilmethode, Edzard Ernst – der jahrelang selbst an die Wirkung glaubte. „Nur ein Placebo oder ein Homöopathikum zu verabreichen, bedeutet den Patienten um etwas Wesentliches zu betrügen.“

Warum aber protegieren Ärztekammern die Homöopathie, wenn es keine Wirksamkeitsbelege gibt? „Das war der ausdrückliche Wille des Bundestages, dass sich sämtliche homöopathischen Präparate keinerlei Nutzennachweisen stellen müssen. Das heißt, da hat der Gesetzgeber letztendlich dafür gesorgt, dass Homöopathie herausgehoben behandelt wird, in einer Art und Weise, die sie eigentlich niemandem erklären können“, sagt Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer.

Seit 1978 dürfen nach dem Arzneimittelgesetz homöopathische Arzneimittel nur in der Apotheke verkauft werden. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärt, warum. Die Apothekenpflicht unterliege vielen Facetten – zum einen die Wirksamkeit (was nicht das Ausschlaggebende sei), zum anderen das Risiko, das mit der Anwendung des Präparates verbunden sei. Bei Homöopathika sei der entscheidende Punkt, der für die Apothekenpflicht spricht, „dass möglicherweise wichtige lebensrettende Therapien unterlassen werden“.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr aus Ressort
Saison startete 3 Wochen früher
Klimawandel verlängert Stechmücken-Zeit
Bei kaum längeren Fahrzeiten
Bessere Schlaganfallversorgung möglich

APOTHEKE ADHOC Debatte