Der Thüringer Hausärzteverband dämpft die Erwartungen an Videosprechstunden durch Arztpraxen. „Ich finde die Idee charmant, bezweifle aber, dass man damit wirklich ernsthafte Probleme lösen kann“, sagte der Landesvorsitzende Dr. Ulf Zitterbart. Eine genaue Abklärung von Beschwerden funktioniere oft nur im persönlichen Kontakt von Arzt und Patient. „Videosprechstunden ersetzen nicht das Anschauen und Anfassen.“ Ohnehin fehlten für eine Einführung noch wichtige rechtliche Voraussetzungen.
So gelte für Ärzte in Deutschland bislang ein Fernbehandlungsverbot, das auch in der Berufsordnung für Thüringer Mediziner festgeschrieben sei. Gesetzliche Krankenkassen vergüten seit Kurzem Videosprechzeiten – allerdings nicht für alle Fachgruppen und nur bei bestimmten Erkrankungen, etwa bei der Kontrolle chronischer Wunden und Operationswunden, der Beobachtung von Hautentzündungen oder zur Beurteilung von Bewegungseinschränkungen. Wie viele Mediziner in Thüringen dies bereits nutzen, ist bislang unklar. Der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) liegen dazu derzeit noch keine Erkenntnisse vor, wie ein Sprecher sagte.
Die Nutzung hängt auch von den technischen Voraussetzungen ab, vor allem dem Vorhandensein schnellen Internets. Laut Wirtschaftsministerium können derzeit fast 80 Prozent der Thüringer Haushalte und Unternehmen über einen Internetanschluss mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde verfügen.
Zitterbart schätzt, dass vor allem junge und internetaffine Menschen für den Videokontakt mit Ärzten aufgeschlossen wären. Das sei allerdings eine Klientel, die eher wenig mit gesundheitlichen Problemen kämpfe. Zudem falle Jüngeren der Weg in die Praxis auch nicht schwer – anders als bei gebrechlichen Patienten: „Ob da wiederum der Videokontakt einen ärztlichen Hausbesuch ersetzen kann, ist unklar.“ Routine-Hausbesuche, etwa zur Blutdruckkontrolle oder zum Blutzuckermessen, würden zur Entlastung von Ärzten bereits jetzt ohnehin vielerorts von nichtärztlichem Praxispersonal übernommen. Die KV Thüringen unterstützt nach eigenen Angaben dabei deren Ausstattung mit Tablet-Computern, mit denen Diagnosedaten vom Hausbesuch direkt in die Arztpraxis übertragen werden können.
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