Grüner Knollenblätterpilz: Kinder in Lebensgefahr APOTHEKE ADHOC, 17.10.2024 11:26 Uhr
Die Pilzsammel-Saison ist im vollen Gange. Jedes Jahr vergiften sich dabei Hobbysammler:innen mit dem Grünen Knollenblätterpilz, weil dieser dem gemeinen Wiesen-Champignon zum Verwechseln ähnlich sehen kann. Aktuell schweben drei Kinder und ein Erwachsener wegen akuten Leberversagens nach dem Verzehr in Lebensgefahr.
Wegen akuten Leberversagens nach dem Verzehr von Knollenblätterpilzen müssen drei Kinder und ein Erwachsener im Essener Uniklinikum intensivmedizinisch behandelt werden. Derzeit werden für die Betroffenen dringend Spenderorgane gesucht. Eine Sprecherin machte heute aber keine Angaben zum Zustand der Patienten oder zur Frage, ob für die Betroffenen ein Spenderorgan für eine Lebertransplantation gefunden worden sei. Sie verwies auf Persönlichkeitsrechte.
Die drei Kinder im Alter von 5 bis 15 Jahren waren laut Uniklinikum in der Nacht zu Dienstag in lebensbedrohlichem Zustand in die Kinderklinik aufgenommen worden und benötigten dringend eine Notfalltransplantation, wie das Klinikum unmittelbar danach mitgeteilt hatte. Auch der Vater eines der Kinder wird behandelt.
Das Winterbergklinikum in Saarbrücken teilte auf Anfrage mit, Eltern und Kinder seien am Wochenende zunächst vor Ort behandelt worden. Inzwischen seien alle Betroffenen in spezialisierte Transplantationszentren außerhalb des Saarlandes verlegt worden, darunter zwei Kinder nach Essen. Die genaue Zahl der Betroffenen wollte die Klinik aus Gründen des Datenschutzes nicht nennen.
„Schwierig, eine Leber zu finden“
In derart eiligen Fällen (High Urgency/HU) wird nach Angaben der Deutschen Leberstiftung im europäischen Raum mit oberster Priorität nach geeigneten Spenderlebern gesucht. Dabei spielten etwa Größe oder Blutgruppe eine Rolle, sagte der Hauptgeschäftsführer der Stiftung, Professor Dr. Markus Cornberg der Deutschen Presse-Agentur. „Diese HU-Listung gilt zunächst für zwei Wochen, in dieser Zeit wird meist ein Organ gefunden.“ Meist erfolge eine Transplantation in solchen Eil-Fällen bereits innerhalb von Stunden oder binnen zwei bis drei Tagen. Allerdings sei es bei Kindern schwieriger, eine geeignete Leber zu finden. Das Problem sei oft sei die Größe des Organs. „Daher kann hier die Wartezeit länger sein.“
Der Experte erläuterte, man könne eine Leber auch auf zwei Personen teilen, das werde „Split-Leber“ genannt. In einer High Urgency-Situation erwäge man das aber in der Regel nicht gleich als erste Option. Denn man müsse dann auch gleichzeitig zwei geeignete Kandidaten haben. Laut Leberstiftung werden etwa 800 Lebern im Jahr transplantiert, der Bedarf sei aber mehr als doppelt so hoch.
Gefährlicher Giftpilz
Der Grüne Knollenblätterpilz zählt zu den gefährlichsten Giftpilzen und gehört zur Familie der Amanitaceae, zu der auch der Rote Fliegenpilz zählt. Die enthaltenen Amatoxine und Phallotoxine führen zu Leberversagen. Das Tückische: Vor allem junge und noch geschlossene Pilze ähneln dem essbaren Eier-Wulstling oder Wiesen-Champignon.
Das Problem: Das extrem toxische Amanitin des Grünen Knollenblätterpilzes wird durch Kochen nicht unschädlich gemacht. Da Amanitine hitzestabil sind, bleibt das Gift auch nach der Zubereitung vollständig erhalten. Schon Kleinstmengen des Fruchtkörpers können tödlich sein: Die letale Dosis von Amanitin liegt beim Menschen bei 0,1 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Das heißt für eine 70 Kilogramm schwere Person wären 7 Milligramm fatal.
Symptome
Der Symptomverlauf ist trügerisch und genau das macht das Gift auch so gefährlich: Zwar können die ersten Symptome nach etwa sechs bis neun Stunden auftreten und sich durch anhaltende Brechdurchfälle äußern, aber diese verbessern sich kurzzeitig wieder. Erst nach bis zu 48 Stunden nach dem Verzehr beginnt die Phase der Leberschädigung mit einem Anstieg der Leberwerte. Dies erschwert eine zügige Diagnose und verschlechtert die Überlebenschancen. Die einzige Möglichkeit in einem Spätstadium ist die Lebertransplantation.
Die Universitätsmedizin Essen gehört zu einem der wenigen Lebertransplantationszentren in Deutschland. Der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin II am Uniklinikum Essen, Lars Pape, hatte am Dienstag geschildert, dass die Kinder bei Eurotransplant über die Warteliste als „hochdringlich“ gelistet seien. Das sei auch weiterhin der aktuelle Sachstand, hieß es am Donnerstag im Klinikum.
Spenderorgane reichen nicht aus
Zahlen weisen darauf hin, dass es nicht einfach ist, eine passende Leber zu finden. Ungefähr 800 Lebertransplantation werden in Deutschland nach Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) durchgeführt. So waren es im vergangenen Jahr 868 Fälle, 2022 waren es 748 Transplantationen und 2021 waren in 834 Fällen Spenderlebern transplantiert worden. In seltenen Fällen – bundesweit rund elf Prozent – aller Lebertransplantationen waren die Empfänger unter 16 Jahre jung.
Laut DSO warteten Ende 2023 fast 8.400 Personen auf ein Spenderorgan, davon standen mehr als 6.500 Menschen auf der Warteliste für eine Niere. Für alle Organe gelte: „Einige Erkrankte müssen wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes von der Warteliste genommen werden, andere sterben, weil nicht rechtzeitig ein Organ zur Verfügung steht.“