Vitalis Njabeleke übernimmt Apotheke in Ehingen

Großvater Medizinmann, Enkelsohn Apotheker

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Berlin -

TCM? Kennt fast jeder. TAM, traditionelle afrikanische Medizin hingegen scheint ein Waisenkind der Pharmazie zu sein. Apotheker Vitalis Njabeleke aus Ehingen in Baden-Württemberg möchte das ändern. Fundiertes Wissen bringt er mit: Er stammt aus Kamerun, sein Großvater war Medizinmann.

Njabeleke kam 1998 zum Pharmaziestudium nach Deutschland, das längst seine Heimat geworden ist. „Ich bin 44 Jahre alt und lebe mittlerweile fast länger hier als in Afrika“, erzählt er. Seit 1. März ist er Inhaber der Apotheke im Alb-Donau-Center in Ehingen. Der bisherige Chef Thomas Bekeris wollte beruflich kürzertreten und hat die Apotheke an seinen langjährigen Mitarbeiter verkauft.

Die Apotheke läuft gut, das Team versteht sich prima, Njabeleke wird künftig nur wenig ändern. „Never change a winning team“ sagt er. Nur zwei Neuerungen wird es geben. Zum einen eröffnen demnächst Abholfächer, zum anderen plant der Apotheker, Vorträge für seine Kunden zu halten. Der erste findet am 14. März statt: „Traditionelle afrikanische Medizin TAM“. Er erklärt: „Ich möchte ein bisschen darüber erzählen, wie Medizin in Afrika gemacht wird.“ Viel Wissen hat er, seitdem er ein kleiner Junge war, denn sein Großvater war Medizinmann. Die einzige afrikanische Heilpflanze, die es in Europa zu einer gewissen Berühmtheit geschafft hat, ist die Kapland-Pelargonie, die in Umckaloabo verwendet wird und deren Werbung uns weismachen will, dass man den Namen nicht aussprechen kann.

In Kamerun gibt es außerdem die Arzneipflanze Moringa stenopetala, aus der ein Mittel gegen Tuberkulose gewonnen werden kann. Njabeleke erinnert sich noch an die Arzneimittel seiner Kindheit – teilweise mit Schaudern. „Wenn wir Fieber hatten, wurde ein Sud aus Chinarinde gekocht, den haben meine Geschwister und ich gehasst.“ Gegen Magen-Darm-Beschwerden helfen die ätherischen Öle des Fiebergrases: „Damit macht man eine Art Schwitzkur, danach fühlt man sich um fünf Kilo leichter“, erzählt er, „auch die tropische Pflanze Vernonia amygdalena hilft bei Verdauungsproblemen. Ich bin in einem Malaria-Endemiegebiet aufgewachsen. Unsere Mutter wusste genau, welche Kräuter man nimmt, um das Fieber schnell zu senken.“

Auch bei Durchfallerkrankungen oder Wunden half oft eine Pflanze, die der Großvater im Garten angebaut hatte. „Ich wusste schon als Kind, welche Pflanze ich einsetzen kann, wenn ich zum Beispiel einen Hautausschlag oder eine kleine Wunde hatte.“ Weihrauch hilft gegen Schmerzen, dafür wird das Harz der Rinde gekocht und anschließend werden die ätherischen Öle mit anderen Ölen gemischt und in die erkrankten Stellen massiert.

Hierzulande sind diese Pflanzen in Arzneiqualität nicht erhältlich, auch das ist ein Unterschied zu den TCM-Pflanzen. Während die Chinesen die Faszination und Wirkweisen ihrer Heilkräuter erfolgreich in den Westen vermittelt haben, scheint das mit afrikanischen Heilmitteln nicht so gut geklappt zu haben. Der Apotheker weiß, woran das liegen könnte: „Bei uns wird das Wissen von einer zur nächsten Generation weitergegeben und lange wurde kaum etwas aufgeschrieben. Wenn es zum Beispiel keine Nachfahren gab, die sich für die Medizin interessierten, nahm der Medizinmann sein Wissen mit ins Grab, dann war es eben leider verloren.“

In Kamerun ist der Gang zum Medizinmann auch im 21. Jahrhundert wichtig, denn viele Menschen haben entweder kein Krankenhaus in ihrer Nähe oder können sich die teure Behandlung nicht leisten. „Viele Menschen glauben außerdem, dass die Götter böse mit ihnen sind, wenn sie krank werden“, erzählt Njabeleke. Ein westlich orientiertes Krankenhaus könnte in diesen Fällen nicht helfen. Auch deshalb vertrauen viele Afrikaner lieber einem Medizinmann, der mit seinem Wissen die Götter möglicherweise wieder versöhnen kann. In Ländern südlich der Sahara vertrauen rund drei Viertel aller Menschen auf traditionelle Medizin.

„Medizinmänner sind Vertrauensmenschen, die um die Ecke wohnen“, sagt der Pharmazeut. Eine Pflanze, die der Apotheker früher im Garten seines Großvaters in Kamerun erntete, verwendet er auch als Erwachsener gern: Ingwer. Mit dem kleinen Unterschied, dass er heute in Ehingen einfach gegenüber in den Supermarkt geht, um sich eine Knolle zu kaufen.

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