Homöopathie und Religion haben eine Gemeinsamkeit: Beide widersprechen den Gesetzen der Naturwissenschaft. Deshalb leben sie davon, dass man an sie glaubt – und sind entsprechend umstritten. Kommen beide Strömungen zusammen, treiben sie oft noch wildere Blüten: So ist Gero Winkelmann, seines Zeichens Präsident des Bundes Katholischer Ärzte (BKÄ), dafür bekannt, dass er Homosexualität „heilen“ will – mit Globuli.
Er ziert sich, Homosexualität eine Krankheit zu nennen, denn darauf gäbe es in der Öffentlichkeit immer „heftige Reaktionen“. „Störung“ ist ihm deshalb vorerst lieber. Egal ob Krankheit oder Störung: Winkelmann ist überzeugt, dass man Homosexualität „therapieren“ kann. „Fünf bis sechs Mal“ sei ihm das auch schon gelungen und er erhalte bis heute regelmäßig Anrufe aus der ganzen Welt von Männern, die sexuelle Gefühle für andere Männer empfinden, sich aber dagegen zur Wehr setzen. Winkelmann glaubt, ihnen helfen zu können.
Der hauptberufliche Bereitschaftsarzt aus München ist tief religiös. Auf seiner Homepage weist er unter anderem auf die Möglichkeit hin, sich täglich per Fernsehen segnen zu lassen; was man doch am besten auch tun solle. Gleichgesinnte hat er im Bund Katholischer Ärzte (BKÄ) gefunden, mit dem er sich für religiöse Anliegen in der Medizin einsetzt. Wenngleich der Name staatstragend klingt, ist der BKÄ nur eine Splittergruppe: Rund 400 Ärzte seien Mitglied „und davon vielleicht 20 aktiv“, erklärt Winkelmann.
Rund die Hälfte der aktiven Mitglieder versammelt sich im zehnköpfigen „Arbeitskreis Homöopathie“ des BKÄ, der laut eigenen Angaben wiederum mit 20 weiteren Ärzten in Deutschland und Österreich in Kontakt steht. Es ist also keine einflussreiche Interessengruppe, die sich da zusammengefunden hat. Wofür sie sich einsetzt, ist dafür umso öffentlichkeitswirksamer.
Aber mit der Öffentlichkeit hat Winkelmann so seine Erfahrungen gemacht. Er redet viel und ausführlich, wirkt alles andere als scheu. Für seine Haltungen erhalte er Anfeindungen en masse, betont er. Das erste Mal, dass ihn ein Millionenpublikum gesehen hat, dürfte im Jahr 2014 gewesen sein: Damals wurde die viel beachtete Dokumentation „Die Schwulenheiler“ des ARD-Journalisten Christian Deker ausgestrahlt. Deker blickt darin in die homophoben Abgründe der deutschen Gesellschaft und Winkelmann ist der Endgegner.
Auf einer Ärztemesse erklärt er dem Reporter, seine Homosexualität sei höchstwahrscheinlich zurückzuführen auf genetische Schäden in Folge von „alten Erbleiden wie Gonorrhoe, Syphilis oder Tuberkulose, die nicht nur körperliche, sondern auch psychische Leiden hervorrufen“ könnten. „Da liegt etwas viel mehr in der Tiefe, vielleicht ein Leberschaden, der auf diese Weise ans Licht kommt“, erläutert er bedeutungsschwanger. „Das würde heißen, dass meine Homosexualität nur ein Ausdruck der kaputten Leber ist?“, hakt Deker nach. „Zum Beispiel, das ist jetzt meine Hypothese.“
Seine Ansichten hat Winkelmann in den letzten Jahren nicht geändert. „Absonderliche Symptome“ sei das Schlüsselwort für Homosexualität. Diese sei ein „uraltes Leiden der Menschheit, das irgendwie zum Menschen gehört, so wie die Prostitution“. Das Dramatische sei nicht, dass es das gibt – er sagt, es sei „nicht so schlimm wie Krebs“. Aber dass „der blöde Zeitgeist“ den Menschen heute einbläue, dass sie so sein könnten wie sie sind, kann Winkelmann nicht verstehen. Sie würden „dann denken, Homosexualität sei gar nicht so schlimm. Das ist mein Vorwurf!“
Das Gegenteil sei jedoch der Fall, ist er überzeugt. Abhilfe bringt laut Winkelmann eine Therapie, die auf drei Elementen basiert: Homöopathie, Psychotherapie und religiöse Zuwendung. Zu Beginn müsse aber der Körper homöopathisch entgiftet werden. Dazu erhalten die „Patienten“ Sulfur und zwei bis drei Nosoden, also homöopathisch aufbereitete Mittel, die aus pathologischem Material wie Blut, Eiter, Krankheitserregern oder Krebszellen hergestellt werden. Meist seien es Globuli der Potenzierungsstufen D30, D200 oder D1000.
Für viele „Patienten“ sei die Therapie damit schon vorbei. „Manche sind schon nach der Entgiftung von ihrer Homosexualität geheilt“, berichtet Winkelmann, der selbst noch eine kleine private Homöopathiepraxis in Unterhaching betreibt. Bei wem das nicht der Fall ist, für den beginnt die langwierige Konsitutionstherapie. Bei der soll mittels weiterer Homöopathika der „innere Doktor zur Selbstheilung angeregt werden“.
In der homöopathischen Anamnese müsse festgestellt werden, was gegeben werden muss. Häufig angewendet würde beispielsweise Calcium Carbonicum und Calcium Phosphoricum. Parallel dazu müsse der Homosexuelle – Winkelmann spricht stets nur von Schwulen, nie von Lesben – psychisch betreut werden und religiös aktiv sein, also Sakramente, heilige Kommunion und Krankensalbung erhalten sowie regelmäßig beten.
Und nicht nur Schwule ließen sich so heilen. „Die Homosexualität ist der kleine Bruder der Pädophilie, beide haben dieselben Ursachen“, sagt Winkelmann trocken. Auch Pädophile könne man mit Globuli und Gebeten kurieren.
Müßig zu erwähnen, dass Winkelmann und seine Mitstreiter sich mit derartigen Ansichten viele Feinde machen. Er selbst sieht sich dabei als aufrechter Verfechter einer guten Sache, die er selbst gegen die katholische Kirche verteidigen muss. Die ist seiner Ansicht nach zu lasch bei Fragen, die die Homosexualität betreffen, weil „viele Kardinäle und Bischöfe Angst vor der Schwulenlobby haben“.
Hinzu komme die öffentliche Meinung: „Die Schulmedizin schweigt, die homöopathischen Ärzte machen nichts, es ist ein Tabuthema!“, ist er überzeugt. Als Vorbild sehe er deshalb Italien: „So wie dort würde ich hierzulande gern Selbsthilfegruppen für Homosexuelle gründen, die sich bessern wollen.“
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