Nach vier Jahren Schwarz-Rot fällt die Bilanz der Gleichstellung von Frauen mit Männern aus Sicht von Experten und Regierung ernüchternd aus. „Bei der Verteilung von Belastungen und Chancen zwischen den Geschlechtern geht es in unserer Gesellschaft immer noch ungerecht zu“, sagte Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) zum neuen Gleichstellungsbericht. „Frauen arbeiten oft mehr und bekommen dafür weniger.“
So leisten Frauen für Kinder, Haushalt, Pflege und Ehrenamt täglich über 52 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer, heißt es in dem bereits Anfang März vorgestellten Sachverständigen-Gutachten, auf dem der nun vom Bundeskabinett verabschiedete Bericht basiert. Demnach bringen Frauen pro Tag 87 Minuten mehr Zeit für diese unbezahlte Arbeit auf als Männer. Zur Schließung der als „Gender Care Gap“ bezeichneten Lücke fordern die Experten, auch Männern zu ermöglichen, mehr private Sorgearbeit zu leisten.
Barley bedauerte im ZDF-Morgenmagazin: „Frauen verdienen immer noch weniger als Männer, in den Berufen, die sie wählen.“ Diese Lohnlücke (Gender Pay Gap) beim durchschnittlichen Bruttostundenverdienst beträgt in Deutschland 21 Prozent (23 Prozent im Westen inklusive Berlin, 8 Prozent im Osten). Zudem gibt es dem Bericht zufolge eine Rentenlücke (Gender Pension Gap): 2015 erhielten Frauen in Deutschland um 53 Prozent geringere Ruhestandsbezüge als Männer.
Die Bundesregierung stellt einen solchen Bericht einmal pro Legislaturperiode vor. Es geht darum, inwieweit die im Grundgesetz geforderte Gleichstellung der Geschlechter in Bildung und Erwerbsleben durchgesetzt ist. In ihrer Stellungnahme schließt sich die Regierung der Sachverständigen-Analyse nun weitgehend an: „Die statistisch nachweisbaren Unterschiede in der Lebensrealität von Frauen und Männern sind ein Indiz dafür, dass Gleichstellung im Sinne verwirklichter Lebensplanungen noch nicht erreicht ist.“
Ministerin Barley betonte aber auch, dass im Vergleich zum ersten Gleichstellungsbericht von 2011 „bereits wichtige Impulse gesetzt“ worden seien. So profitierten von der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns mehrheitlich Frauen in niedrig entlohnten Dienstleistungsbereichen und in geringfügiger Beschäftigung. „Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, dem Elterngeld und dem ElterngeldPlus sowie mit der Verbesserung der Familienpflegezeit wurden neue Möglichkeiten zur partnerschaftlichen Arbeitsteilung und zur dauerhaften eigenständigen Existenzsicherung geschaffen.
„Gleichstellung ist ein Marathonlauf, das ist kein Sprint“, sagte Barley – seit einigen Wochen Nachfolgerin von Martina Schwesig (SPD) im Familien- und Frauenministerium – im ZDF. Es funktioniere nicht über Verordnungen, die Politik müsse aber „Rahmenbedingungen dafür schaffen, damit jeder auch wirklich diese Entscheidung für sich treffen kann“.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nannte die Bilanz von Schwarz-Rot bei der Gleichstellung miserabel. „Für mehr Arbeit in Fürsorge und Pflege werden Frauen mit weniger Rentenansprüchen bestraft.“ Die Koalition habe „versäumt, die richtigen Anreize dafür zu setzen, dass jedes Paar die für sich geeignete Arbeitsteilung wählen kann. Es ist fatal, dass die Bundesregierung das Rückkehrrecht auf Vollzeit versenkt hat. Das Familienministerium hat vier Jahre für die Familienarbeitszeit getrommelt, doch am Ende nichts geliefert.“
Ein Sprecher des Arbeitgeberverbandes BDA sagte: „Frauen und Männer entscheiden sich noch immer für unterschiedliche Wege in der Arbeitswelt. Das hat Folgen für die Gehälter.“ Deutschland brauche daher „mehr Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen, damit mehr Eltern in Vollzeit arbeiten können“. DGB-Vizechefin Elke Hannack erklärte: „Die Empfehlungen der Sachverständigen sind eine ausgezeichnete Blaupause für das Regierungsprogramm der nächsten Legislaturperiode“ – etwa bei der Weiterentwicklung des Teilzeitrechts mit einem Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit.
Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden mitteilte, steuern Frauen in Deutschland anteilig immer mehr zum Haushaltseinkommen von Paaren bei. „Aufgrund der verbesserten Angebote bei der Kinderbetreuung sind auch Frauen mit drei und mehr Kindern in der Lage, ihren Beitrag zum Haushaltseinkommen deutlich zu steigern“, hieß es. Deutschland sei aber immer noch „weit entfernt von einer Auflösung der männlichen Ernährerrolle“.
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