Schon mit zehn Jahren stand ihr Berufswunsch fest: Apothekerin. Inka Krude ist seit 15 Jahren Inhaberin der Alten Apotheke 1681 in Bochum. Ein Traumjob, wie sie sagt. Und auch ihre Mitarbeiter sollen gern zur Arbeit kommen. Bei ihr ist quasi jeden Tag Frauentag.
Erkennt sie eine Problemlage oder Ungerechtigkeit, wird umgehend gehandelt. Unermüdlich kämpft sie seit vielen Jahren für Chancengleichheit. So hat sie zum Beispiel erkannt, dass Studenten zwar viele Möglichkeiten zum Erfahrungen Sammeln im Ausland haben, PTA hingegen kaum. Also hat sie welche geschaffen. „Im vergangenen Jahr waren zwei PTA aus unserer Apotheke in Taiwan. Vernetzung macht mir Spaß.“
Krude ist Mitglied im Rotary Club, seit 20 Jahren Kammer-Delegierte und seit zehn Jahren Sprecherin aller 95 Bochumer Apotheken. Da lernt man Menschen kennen, die wiederum Menschen kennen, die gerne weiterhelfen oder die eine oder andere gute Idee haben. In Taiwan haben ihre Mitarbeiterinnen ein paar Wochen bei befreundeten Familien gelebt. „Sie haben gesehen, wie das Leben dort aussieht und in Betriebe hineingeschnuppert.“
Auch das BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) ist auf die engagierte 45-jährige Unternehmerin aufmerksam geworden. Jetzt sitzt sie als „Vorbild-Unternehmerin“ in der Initiative „Frauen unternehmen“, die den weiblichen Nachwuchs fördern soll. Gestern war sie in Berlin, um im Rahmen dieser Tätigkeit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu treffen. Ihr Ziel: „Ich möchte Frauen selbstbewusst genug machen, um sich selbstständig zu machen.“ Für sie war immer klar: Apotheke, das ist es. Und dass sie eines Tages eine eigene haben würde, stand ebenfalls früh fest. „Ich weiß nicht, woher der Wunsch nach diesem Beruf kommt, in meiner Familie gab es keine Apotheker.“
Sie machte nicht nur eines, sondern gleich mehrere Schülerpraktika in Apotheken. Weil es so großen Spaß machte. „Ich habe mir gern Labore angeschaut, fand das interessant.“ Junge Menschen, die sich mühsam zu einem Berufspraktikum quälen, versteht sie nicht. „Ich wundere mich, dass viele die Chance nicht nutzen. Ich finde Praktika unheimlich wichtig, selbst wenn der Beruf einem nicht gefällt, kann man ihn hinterher doch jedenfalls ausschließen. Meinen Beruf muss ich ein Leben lang machen, um herauszufinden, wofür man brennt, kann man doch wirklich seine Ferien opfern.“
In ihrem Team mit 35 Mitarbeitern sind fünf Männer. Immer wieder wird die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie und somit die Frauenfreundlichkeit der Apothekenberufe gelobt. Krude sieht das ein wenig anders, denn auf Platz 1 der Sorgen ihrer Mitarbeiterinnen steht meistens die Kinderbetreuung. „Ich möchte in meiner Apotheke bei den Mitarbeitern gern alle Altersklasse vertreten haben. Aber wenn eine Mitarbeiterin zum Beispiel nach der Babypause wiederkommt, gibt es viele Probleme in Sachen Kinderbetreuung zu lösen.“
Nach der Kita-Zeit kommt dann gleich die Schulbetreuung: „Ich sehe, wie schwierig das für mein Team ist. Es gibt in der Apotheke noch viele Themen, die bearbeitet werden müssen.“ Dass es in einigen Bundesländern mittlerweile kostenlose Kitas gibt, findet sie gut. Fehlen nur noch längere Öffnungszeiten und mehr Plätze.
Auch Nachwuchsgewinnung liegt ihr am Herzen: „Ich versuche seit Jahren, junge Menschen für meinen Beruf zu begeistern, gehe dafür in Schulen und Unis. Die Zahlen der Frauen, die Unternehmen gründen, sind seit Jahren leider rückläufig. Und auch die Zahl der Start-ups, an denen Frauen beteiligt sind.“ Sie hat erfahren: „Wenn man Vorbilder hat, kann das unglaublich motivieren. Viele Frauen müssen darauf aufmerksam gemacht werden, dass man sich selbstständig machen kann.“
Krude ist im Schwarzwald geboren, kam mit zehn Jahren nach Dortmund und hat in Greifswald Pharmazie studiert. Das Tolle am Apothekerberuf ist für sie die Vielfältigkeit. „Man kann Menschen helfen, Dinge organisieren, Entscheidungen fällen und selbstständig sein. Ich sehe da auch die Politik in der Verantwortung.“
Der frühe Tod ihrer Mutter hat sie geprägt und den Wunsch, anderen zu helfen, gefestigt. „Als ich 21 war, erkrankte meine Mutter an Krebs.“ Damals erlebte sie, wie schwierig es sein kann, Medikamente zu organisieren. „Meine Mutter konnte nur wenige Stunden außerhalb des Krankenhauses verbringen und wir haben sie nach Hause geholt. Die meiste Zeit habe ich damals allerdings damit verbracht, alles zu organisieren.“
Heute versucht sie, Menschen in ähnlichen Lagen, die in ihre Offizin kommen, so gut und schnell wie möglich zu versorgen. Dazu gehört auch der eine oder andere Tipp, wo Schwerkranke und ihre Angehörige zum Beispiel für ein paar Stunden Kinderbetreuung finden oder guter Rat für Mütter, die mit einem Frühchen entlassen werden. „Die Menschen sind oft überfordert mit dieser Situation“, sagt sie. Hilfe finden sie in der ältesten Apotheke Bochums. Dort werden im Beratungszimmer auch zum Beispiel Brustkrebspatienten beraten, wenn es um Nebenwirkungen der Chemotherapie oder andere wichtige Fragen geht.
Die Chefin der Apotheke 1681 hat klare Ziele: „Ich möchte glückliche Mitarbeiter, die auch privat zufrieden sind.“ Für sie ist das die Wurzel des Erfolgs. Den Internationalen Frauentag findet sie wichtig, feiert ihn aber nicht, da sie heute auf dem Weg von Berlin nach Bochum ist. Der Kampf um die Gleichberechtigung ist für sie noch lange nicht ausgefochten.
„In 50 Jahren werden wir Gleichberechtigung haben. Dann wird es nicht beurteilt oder verurteilt werden, ob der Mann oder die Frau zu Hause bleibt“, sagt sie. Als Optimistin glaubt sie, dass so um das Jahr 2070 „vielleicht das Paradies“ eintreten wird. „Die nächsten 50 Jahre werden aber noch mal hart. Wir müssen jedenfalls dranbleiben!“ Eine weitere Station auf dem Weg ins Paradies der Gleichberechtigung hat sie in drei Wochen. Dann findet im Wirtschaftsministerium in Düsseldorf ein Speed-Dating für Unternehmerinnen und Frauen, die in der Ausbildung sind, statt. Einziger Nachteil: Ein kurzes Speed-Dating-Gespräch wird bei Apothekerin Krude und ihren vielen Ideen vermutlich nicht ausreichen.
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