Geburt

Wochenbett: Keine romantischen Erwartungen

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Hamburg/Berlin -

Manche Mütter haben hohe und romantische Erwartungen an ihre Wochenbett-Zeit – und werden dann bitter enttäuscht. Sie zweifeln beispielsweise an ihren Fähigkeiten als Mutter, wenn das Baby sich nicht stillen lassen will oder viel weint. „Lasst eurem Kind Zeit, auf unserem Planeten anzukommen“, sagt die Psychologin Anette Paffrath im Interview der Zeitschrift „Eltern“. „Manchmal braucht es vier Monate, bis ein Baby ohne Anstrengungen selbstständig schlucken, verdauen und optische und akustische Reize verarbeiten kann. Seine Unzufriedenheit bis dahin hat mit den Qualitäten der Eltern überhaupt nichts zu tun.“

Auch mit dem Partner kommt es in dieser ungewohnten Zeit mitunter zu angespannten Situationen oder Streit. „Auch Väter werden von Problemen im Wochenbett überrascht. Sie sind überfordert und müssen das Gefühlschaos zu Hause erst mal verstehen“, sagt Paffrath. Dann helfe es, immer wieder über Ängste, Enttäuschungen und Wünsche zu sprechen.

Etwa 40 Wochen verändert sich der Körper einer Frau vor der Geburt, 6 bis 8 Wochen braucht er danach, um sich wieder zu erholen. Die Zeit nennt man Wochenbett, und früher wurde das noch wörtlich genommen: Die Nachbarinnen im Dorf kümmerten sich ums Essenkochen und den Haushalt, die Wöchnerin verließ das Haus nicht. Inzwischen wollen viele Frauen in dieser Zeit ein straffes Programm durchziehen. Anja Constance Gaca ist Hebamme in Berlin und Co-Autorin des Buches „Das Wochenbett“ und meint: „Frauen nehmen sich zu schnell zu viel vor.“ Dabei dürfe man nicht von einem Normalzustand ausgehen. Aber Mütter und Väter können viel tun, um gut durch die erste Zeit zu kommen:

Keine falschen Erwartungen. Oma und Opa wollen das Baby sehen, die Tanten auch, und außerdem ist Heidi Klum schon wenige Wochen nach der Geburt wieder in Unterwäsche über den Laufsteg spaziert. «Wir bekommen ein völlig falsches Bild von der Zeit nach der Geburt vermittelt», sagt Hebamme Gaca. Dagegen helfe nur, sich klarzumachen, dass nicht nur das Kind Zeit braucht, in der Welt anzukommen. „Auch die neue Familie muss sich erst einstellen“, sagt Gaca.

Besuchsplan aufstellen. Frauen sollten sich gut überlegen, wen sie in den ersten Tagen nach der Geburt empfangen wollen. „Das müssen Menschen sein, denen man auch im Bademantel, verheult und ohne aufzuräumen unter die Augen treten will“, sagt Gaca. Am besten ist es, wenn der Partner einen Besuchsplan aufstellt – und alle streicht, die nur Kaffee trinken und Baby gucken wollen. Willkommen ist dagegen jeder, der Essen mitbringt oder irgendwie mithilft.

Hilfe holen. Sollte das nicht gehen, und kann auch der Partner keinen Urlaub nehmen, sollten Frauen über eine Haushaltshilfe nachdenken. In bestimmten Fällen wird die sogar von der Krankenkasse bezahlt. „Wenn nicht, kann man sich die Hilfe aber auch schenken lassen – anstelle des 100. Stramplers“, sagt Ulrike Käfer, die Mütter als Baby-Plannerin unterstützt. Spezielle Mütterpflegerinnen kochen oder bespielen die Geschwisterkinder.

Essen einfrieren und große Suppentöpfe kochen. Eine Wochenbettsuppe ist das ideale Essen für Wöchnerinnen. So eine Suppe gibt nicht nur Kraft, sondern ist auch praktisch, weil sie lange reicht. Außerdem gut: Schon während der Schwangerschaft von jedem Gericht eines mehr kochen und einfrieren. „Möglichst Speisen, die gut bekömmlich sind und nicht blähen“, empfiehlt Karoline Lievertz vom Deutschen Hebammenverband. In manchen Städten bringen Lieferdienste spezielle Mutter-Kind-Kisten mit Frischware ins Haus.

Großzügig Urlaub für den Partner planen. Der Partner sollte helfen können – mit Resturlaub und Elternzeit am besten die gesamten acht Wochen. Viele Väter nehmen sich nur zwei Wochen Urlaub. Gerade dann wird es aber oft richtig anstrengend, sagt Anja Constance Gaca. „Ab der dritten, vierten Woche schreit das Kind oft häufiger und lässt sich nicht mehr so einfach zum Schlafen ablegen.“ Wenn das mit dem Arbeitsbeginn des Papas zusammenfällt, ist das für Frauen oft die anstrengendste Zeit.

Mit dem Babyblues rechnen. Der Tag kommt bei vielen Müttern – und meist ist es der dritte nach der Geburt. „Wenn die Milch läuft, laufen oft auch die Tränen“, sagt Baby-Plannerin Käfer. Sie meint damit: Oft fällt der sogenannte Babyblues mit dem Milcheinschuss zusammen. Das ist körperlich anstrengend, die ersten Hormone nach der Geburt sind aufgebraucht, zwei, drei schlechte Nächte liegen hinter einem – da sind die Nerven dünn und die Frauen oft ängstlich und gereizt.

Den Körper heilen lassen. Eine alte Faustregel besagt: eine Woche im Bett, eine Woche am Bett, eine Woche ums Bett. „Eine Geburt ist anstrengend, der Körper lässt das die Frauen spüren – gerade nach einem Kaiserschnitt“, sagt Hebamme Gaca. Aber auch sonst sollten Mütter mindestens in den ersten zehn Tagen viel liegen und nicht schwer heben.

Frühzeitig um Hebamme und Kinderarzt kümmern. Um die Hebamme sollten Frauen sich spätestens bis zur zwölften Schwangerschaftswoche gekümmert haben. „Wer eine Beleghebamme haben will oder jemand Bestimmtes, sollte eigentlich schon anrufen, sobald er den positiven Schwangerschaftstest hat“, sagt Käfer. Dann ist auch genug Zeit, sich zu beschnuppern, denn die Chemie zwischen Hebamme und Mutter sollte stimmen. Auch wichtig: Sich frühzeitig um einen Kinderarzt bemühen, der dann auch die U2-Vorsorgeuntersuchung macht.

Anträge während der Schwangerschaft ausfüllen. Elterngeld, Kindergeld, Familienversicherung, Vaterschaftsanerkennung: Die meisten Anträge können schon vor der Geburt ausgefüllt und zurechtgelegt werden. „Frauen sollten ruhig ihren Partner zum Standesamt schicken“, sagt Käfer. Aber auch für den ist die erste Zeit nach der Geburt ein Ausnahmezustand. Umso besser, wenn alles schon vorbereitet ist.

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