Lange war Fruktose die gesunde Alternative unter den Zuckern. Vor allem Diabetiker sollten profitieren. Inzwischen warnen Experten sogar vor Fruchtzucker. So wie andere Zucker kann er dick und krank machen.
Fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag: Viele Kinder kennen die Faustregel, empfohlen und seit vielen Jahren fleißig beworben, unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Inzwischen gibt es ein Aber: Nur zwei Portionen sollten aus Obst stammen, Gemüse den überwiegenden Teil ausmachen. Schuld an der Restriktion: der viele Zucker in den Früchten.
Fruchtzucker, auch Fruktose genannt, ist ein Einfachzucker. Saccharose, der Haushaltszucker, ist dagegen ein Zweifachzucker aus Fruktose und Glukose. „Die beiden Stoffe sind sich chemisch sehr ähnlich, auch wenn Haushaltszucker bei der Verdauung erst gespalten werden muss“, sagt Stefan Kabisch, Studienarzt des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam sowie der Berliner Charité. Der Aufwand für den Körper sei sehr gering.
Der wesentliche Unterschied: Während Glukose vom Körper nur aufgenommen werden kann, wenn Insulin ausgeschüttet wird, braucht Fruktose diese nicht. Früher sah man darin einen Vorteil für Diabetiker. „Heute gibt es Hinweise darauf, dass der Fruchtzucker bevorzugt als Fett eingelagert wird, vor allem in Form von Leberfett und viszeralem Bauchfett“, sagt Kabisch. Studien hätten das zumindest bei Mäusen gezeigt. Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes könnte Fruktose also sogar begünstigen.
Auf den täglichen Apfel, der angeblich den Doktor fernhält, muss man in der Regel trotzdem nicht verzichten. Stattdessen lohnt es sich, im Supermarkt genau hinzuschauen und kritisch zu sein. Denn Fruktose steckt auch in vielen verarbeiteten Lebensmitteln. Kinderketchup, der als gesund beworben werde, weil er „nur die Süße aus Früchten“ beinhalte, den könne man getrost als Werbelüge bezeichnen, sagt der Experte. „Es klingt nach einer natürlichen Quelle, dabei kann Fruktose mit entsprechenden Verfahren durchaus genauso aus Zuckerrohr oder Rüben gewonnen werden.“ Die Herstellung ist günstig, hinzukommt, dass die Süßkraft von Fruktose höher ist. Und sie lässt sich als gesund tarnen.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch bemängelt seit langem, dass Zucker nicht verbraucherfreundlich gekennzeichnet ist. „Im Moment ist Fruktose der Bad Guy, aber das Problem liegt im Zucker grundsätzlich“, sagt Oliver Huizinga von der Verbraucherschutzorganisation. Foodwatch fordert eine Ampelkennzeichnung. Damit ließen sich Zuckerbomben aber nur unter den verarbeiteten Lebensmitteln leichter erkennen – nicht unter den Obstsorten.
Klar, in Obst stecken auf der anderen Seite auch Vitamine. Ein Apfel ist einem Schokoriegel deshalb auch weiterhin vorzuziehen. Aber gegenüber Gemüse sehen die Früchte alt aus. „Zucker ist gleich Zucker“, betont auch Silke Restemeyer von der DGE.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich auf die Fahne geschrieben, den Zuckerkonsum generell einzuschränken. „Die WHO gibt an, dass nicht mehr als 10 Prozent der Nahrungsenergie aus Zucker stammen sollte“, sagt Restemeyer. „In Zukunft sollen es sogar nur noch 5 Prozent sein.“ In verschiedene Arten wird Zucker dabei nicht unterteilt. Das heißt: Auch Fruktose aus Obst muss mit einrechnen, wer sich daran halten will.
Manche Menschen schränken ihren Zuckerkonsum aber noch aus anderen Gründen ein: weil sie ihn nicht vertragen zum Beispiel. Die sogenannte Fruktoseintoleranz unterteilen Experten in zwei Formen. „Die häufige intestinale Form äußert sich in Verdauungsproblemen, Blähungen, Durchfällen, Bauchkrämpfen“, erklärt Kabisch. Ursächlich sind Störungen der Fruktoseaufnahme aus der Nahrung in die Darmwand. Der Grund liegt einerseits in den Genen, andererseits spielt auch die Menge des aufgenommenen Fruchtzuckers eine Rolle.
Hierin liegt vermutlich einer der Gründe für den sprunghaften Anstieg der Intoleranz in den vergangenen Jahren. „Bei normaler Fruktoseexposition (in Studien 25 Gramm Fruchtzucker) entwickelten circa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung Symptome“, sagt Kabisch. Bei höherer Fruktosegabe seien es deutlich mehr Menschen. Das heißt: Je mehr Fruchtzucker Fertiglebensmitteln zugesetzt wird, desto mehr Menschen werden womöglich intolerant.
Richtig gefährlich ist allerdings nur die erbliche – die intestinale – Form der Fruktoseintoleranz. „Sie betrifft aber nur circa einen von 100.000 Menschen“, sagt Kabisch. Sie haben einen Enzymdefekt in der Leber. Die Folge ist eine schwerwiegende Stoffwechselentgleisung, die unter anderem zur Unterzuckerung, aber auch zu Gerinnungsstörungen führt. Sogar kleine Mengen Fruktose sind für Betroffene lebensbedrohlich. Fruktose ist für sie daher lebenslang Tabu.
Für alle anderen gilt: Wer gesund und nicht übergewichtig ist, muss seine Obstzufuhr in der Regel nicht einschränken. Trotzdem sollte man im Zweifel eher zu Gemüse greifen – und sich vor allem von Werbelügen nicht in die Irre führen lassen.
APOTHEKE ADHOC Debatte