AU-Schein und Testergebnis online

Frau Dr. Ansay verliert ihre Approbation

, Uhr
Berlin -

Mit einem Online-Fragebogen zur Krankschreibung und Corona-Testzertifikate auf Zuruf: Weil die Ärztin Dr. Eva Maria Ansay ihren Namen für das umstrittene Geschäftsmodell ihres Sohnes hergab, wurde ihr vor einem Jahr die Approbation entzogen. Dagegen klagte die 80-Jährige. Doch auch das Hanseatische Oberverwaltungsgericht (OVG) in zweiter Instanz sah die Verstöße gegen das Berufsrecht als zu gravierend an.

Das Geschäftsmodell von „Dr. Ansay“ ist einfach. Kund:innen konnten sich gegen eine Gebühr von 14 Euro online eine Krankschreibung ausstellen lassen, für weitere 8 Euro konnte man sich diese auch postalisch zuschicken lassen. Kam eine AU-Bescheinigung ohne weitere Untersuchung aufgrund der gemachten Angaben nicht infrage, konnten diese einfach so lange verändert werden, bis der Weg zur Online-Krankschreibung frei war.

Bei den Corona-Selbsttest reichte für den Erhalt eines Zertifikats die Aussage, man habe sich selbst negativ getestet. Ohne ärztliche Rücksprache wurde sodann ein Zertifikat generiert und dem Empfänger per E-Mail zugesandt. Auf den Zertifikaten befanden sich – wie auf den Krankschreibungen – die Faksimile-Unterschrift und der Praxisstempel der Ärzin Ansay. Auf dem Formular der Selbsttest-Zertifikate hieß es wörtlich: „Die u.g. Person hat keine Symptome und ist nicht mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert, da sie einen negativen Antigen-Test gemacht hat unter meiner fachärztlichen Überwachung meiner Arztpraxis i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TestV gemäß § 2 Nr. 7 SchAusnahmV.“

Hinter den Geschäftsmodellen steht jeweils Rechtsanwalt Dr. Can Ansay. Die Firma hat ihren Geschäftssitz zwischenzeitlich nach Zypern verlegt. Die ärztliche Autorität kam hingegen seiner Mutter Dr. Eva Maria Ansay zu. Sie wurde wegen ihrer Beteiligung bereits vom Berufsgericht zu einer Geldbuße von 6000 Euro rechtskräftig verurteilt. Und dabei ging es nur um drei Fälle.

Tatsächlich soll sie rund 90.000 AU-Bescheinigungen und mindestens 2000 Zertifikate unterzeichnet haben, weshalb ihr von der Ärztekammer die Approbation entzogen wurde. Im Mai 2022 bestätigte das Verwaltungsgericht Hamburg die sofortige Vollziehung: Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens sei anzunehmen, dass sich Ansay als berufsunwürdig erwiesen habe, weil sie über mehrere Jahre in einem automatisierten Verfahren über das Internet massenhaft AU-Bescheinigungen gegen Entgelt unter ihrem Namen sowie auch zahlreiche Corona-Testzertifikate ohne verlässliche Prüfung ausgegeben habe. Ihre Beschwerde gegen diese Entscheidung blieb vor dem OVG ohne Erfolg.

Die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit ist laut Gericht vom Begriff des ärztlichen Zeugnisses im Sinne Berufsordnung erfasst. Die notwendige Sorgfalt erfordere eine ärztliche Untersuchung. Zwar sind seit dem 19. Januar 2022 auch mittelbare persönliche Untersuchungen im Wege einer Videosprechstunde möglich, wenn diese eine hinreichend sichere Beurteilung ermöglichen. „Die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit ausschließlich auf Basis z.B. eines Online-Fragebogens, einer Chat-Befragung oder eines Telefonates ist hingegen ausgeschlossen“, so das OVG. Für die ärztliche Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei schon wegen der wirtschaftlichen Folgen der Krankschreibung auf einen direkten persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patienten abzustellen.

Durch die vollkommen kontaktlose Ausstellung der mit ihrem Namen versehenen AU-Bescheinigungen habe die Ärztin eklatant gegen ihre Berufspflicht verstoßen. Sie habe keine Kontrolle über die in ihrem Namen ausgegebenen Bescheinigungen gehabt, weil sie der Dr. Ansay GmbH für das von ihr entwickelte Online-Verfahren ihre Faksimile-Unterschrift zur Verwendung überlassen hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Heilberufsgericht hatte sie selbst bekundet, dass sie die AU-Bescheinigungen bereits mit einer Diagnose erhalten habe und sie diese nur auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfe. Und: Sie wusste, dass die Bescheinigungen in mindestens drei Fällen vor Arbeitsgerichten nicht gehalten hätten.

Beim Ausstellen der Test-Zertifikate habe jeweils das Foto eines gebrauchten Test-Kits vorgelegen. Es gab weder eine Überwachung der durchgeführten Tests, noch sei klar gewesen, dass das Test-Kits tatsächlich der Person zuzuordnen sei, die das Zertifikat auf der Internetseite für sich bestellt habe. Auch die Zertifikate fallen aus Sicht des OVG unter die ärztlichen Zeugnisse. Und das Ausstellen der Testzertifikaten sei unzulässig, wenn Antigen-Tests zur Eigenanwendung – wie hier – ohne Überwachung durchgeführt werden.

Auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient konnte sich Ansay laut Gericht auch nicht berufen. „Denn zwischen den Kunden und ihr bestand bereits keine Arzt-Patienten-Beziehung.“ Sie habe nicht einmal über Patientenakten verfügt. Es wurden offenbar sogar Zertifikate für „Max Mustermann“ und „Mickey Maus“ ausgestellt.

Damit habe die Ärztin bewusst gegen ihre Berufspflichten verstoßen. Auch hier habe sie aufgrund der Duldung der Verwendung ihrer Faksimile-Unterschrift durch die Dr. Ansay GmbH jegliche Attestierungen ohne ihre Kenntnisnahme gebilligt.

„Es ist demnach von ihrer Berufsunwürdigkeit auszugehen, so dass die Approbation zwingend zu widerrufen ist“, so das OVG. Da die Antragstellerin 80 Jahre alt sei, sei auch nicht zu erwarten, dass sie alsbald eine andere Beschäftigung als Ärztin aufnehmen werde.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Lebensmittellieferdienst
Aus für Amazon Fresh
Mehr aus Ressort
Zwei Geschäftsleute vor Gericht
Ozempic-Fälschung: Prozess gestartet

APOTHEKE ADHOC Debatte