Klatsche für Kammer

Fortbildung: Auch Industrie darf punkten

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Berlin -

Fortbildung macht Spaß, wenn sie praxisrelevant ist – und wenn es dafür Punkte gibt. Dass Schulungen und Kongresse nicht werblich sein dürfen, heißt aber keineswegs, dass sie nicht auch von der Industrie organisiert werden dürfen. So hat es jetzt das Verwaltungsgericht München (VG) entschieden, nachdem einem Hersteller die Akkreditierung verweigert worden war.

Wie andere Berufsorganisationen vergibt auch die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) keine Fortbildungspunkte für Veranstaltungen, die irgendeine Nähe zur Industrie aufweisen. Allenfalls als Sponsoren dürfen die Unternehmen auftreten, Inhalte und Referenten müssen dann streng neutral sein. Die Unterlagen müssen im Vorfeld zur Prüfung eingereicht werden.

Gänzlich ausgeschlossen als Veranstalter sind „Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, Medizinproduktehersteller, Unternehmen vergleichbarer Art oder Vereinigungen solcher Unternehmen“, so steht es in der Richtlinie zur Bewertung von Fortbildungsmaßnahmen.

„Eine solche unwiderlegliche Vermutung verstößt gegen höherrangiges Recht“, befand das VG. Hersteller könnten sich auf die Berufsausübungsfreiheit nach Artikel 12 Grundgesetz (GG) berufen. Diese werde unzulässig eingeschränkt, wenn von vornherein unterstellt werde, dass „Inhalte entsprechender Veranstaltungen nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind und diese auf dieser Grundlage keine Anerkennung erhalten“.

Neutralität statt Ausschluss

Zwar sei die Objektivität und Neutralität ärztlicher Fortbildung ein nachvollziehbarer Zweck, jedoch sei der Ausschluss eines gesamten Wirtschaftszweiges von der Anerkennungsfähigkeit ohne Prüfung der Fortbildungsinhalte nicht geeignet und erforderlich, diesen Zweck zu erfüllen. Denn es wäre eine nicht gerechtfertigte Umkehr der Beweislast, wenn der Veranstalter darzulegen hätte, dass die Inhalte frei von wirtschaftlichen Interessen seien.

So lagen die Dinge laut Gericht im konkreten, in dem der Hersteller eines Mittels gegen Prostatakrebs gegen die Ablehung der Akkreditierung einer Fortbildungsveranstaltung geklagt hatte. Der Konzern hatte zwar sämtliche Vortragsfolien einschließlich der darin enthaltenen Interessenskonflikterklärungen der Referenten und des ärztlichen Kursleiters eingereicht, nicht aber die geforderten Verträge oder die detaillierte Auflistung der Veranstaltungskosten.

Weder im Bescheid und noch im gerichtlichen Verfahren habe die Kammer hinreichende Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass die Fortbildungsveranstaltung nicht frei von wirtschaftlichen Interessen gewesen wäre. Auf die jeweiligen fachlichen Vorträge bezogene Einwände inhaltlicher Art seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund habe für den Veranstalter keine weitere Mitwirkungsobliegenheit bestanden, auch noch die Referentenverträge vorzulegen.

Kammer ohne Konkurrenz

Nur noch Schulungen ohne Akkreditierung anbieten zu dürfen, sei für Hersteller übrigens keine akzeptable Lösung. „Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist auch dann zu bejahen, wenn durch entsprechende Regelungen zwar die Durchführung von Fortbildungen nicht unmöglich gemacht wird, durch die Versagung einer Anerkennungsmöglichkeit jedoch solche Veranstaltungen dergestalt an Attraktivität für die Teilnehmenden einbüßen, dass sie auf dem Markt kaum mehr Bedeutung aufweisen“, so das Gericht.

Obendrein sei die Formulierung „Unternehmen vergleichbarer Art“ viel zu unbestimmt: „Damit ist der Beklagten ein weiter Spielraum eröffnet, um Unternehmen von dem Markt der Veranstaltung ärztlicher Fortbildungen, in dem sie selbst auch tätig ist, fernzuhalten.“

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