Foodwatch

Zuckerbombe statt Erfrischung dpa/APOTHEKE ADHOC, 24.08.2016 14:06 Uhr

26 Stück Würfelzucker: So viel können nach einem Test der Verbraucherorganisation Foodwatch in einem Energydrink stecken. Viel zu viel - sagen nicht nur die Tester. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Mehr als jedes zweite Erfrischungsgetränk in Deutschland enthält nach Angaben der Verbraucherorganisation Foodwatch zu viel Zucker. Bei insgesamt 463 untersuchten Limonaden, Energydrinks, Fruchtsäften, Schorlen, Brausen und Eistees fanden sich in rund 60 Prozent der Produkte mehr als 5 Prozent Zucker. In mehr als einem Drittel (37 Prozent) der Flaschen und Dosen wiesen die Kontrolleure mehr als acht Prozent Zucker nach – das entspreche sechseinhalb Stück Würfelzucker auf 250 Milliliter. Lediglich 55 Getränke waren zuckerfrei, fast 90 Prozent davon enthielten jedoch Süßstoffe.

Flüssiger Zucker in Form von Getränken erhöhe das Risiko für Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes, sagt Professor Dr. Wieland Kiess, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Leipzig bei der Vorstellung der Studie. Foodwatch fordert deshalb eine Zucker-Abgabe für die Getränke-Industrie. Großbritannien will ab 2018 eine entsprechende Steuer einführen, damit es weniger gesüßte Getränke zu kaufen gibt. Ferner fordern die Verbraucherschützer eine Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln in den Farben einer Ampel sowie eine gesetzliche Beschränkung der Werbung, die sich mit Spielzeugbeigaben oder Comicfiguren speziell an Kinder richtet.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt in ihrer jüngsten Richtlinie aus dem Jahr 2015 im Mittel nicht mehr als sechs Teelöffel (25 Gramm) Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln pro Tag. Das reduziere das Risiko von Übergewicht, Fettsucht und Karies. In der Realität liege die Zuckeraufnahme durch Lebensmittel in Deutschland bereits bei 90 Gramm pro Tag, sagte Professor Dr. Andreas Pfeiffer, Ernährungswissenschaftler am Berliner Uniklinikum Charité. Getränke seien nur ein Teil davon und fielen vor allem bei Kindern ins Gewicht. Zucker sei aber auch in Produkten wie Joghurt versteckt.

Nach Angaben von Foodwatch liegt in Deutschland der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch an zuckergesüßten Getränken bei mehr als 80 Liter pro Jahr. Die süßesten getesteten Limonaden enthielten 13,4 Prozent Zucker. Der süßeste Getränk im Test, ein Energydrink, kam auf 16 Prozent Zucker – das entspricht 78 Gramm oder 26 Zuckerwürfeln in einer 500-Milliliter-Dose, wie die Tester schreiben.

Aus Sicht des Bunds für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) präsentiere Foodwatch mit der Untersuchung zum Zuckergehalt von Erfrischungsgetränken und den daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wie einer Zucker-Abgabe erneut Scheinlösungen, die rein willkürlich sind und nicht zu einer Prävention von Übergewicht beitragen würden.

„Auch wenn Foodwatch hier offensichtlich ein Spiel mit Worten betreibt, ist auch eine Zucker-Abgabe nichts anderes als eine Strafsteuer für Zucker, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt und die sozial Schwächere in unserer Gesellschaft im Endeffekt am meisten treffen wird. Zudem ist es für uns unerklärlich, wie man auf der einen Seite bei einem freiwilligen Engagement der Lebensmittelunternehmen im Bereich der Bewegungsmotivation und Sportförderung dieses verurteilt und als Feigenblatt diffamiert und auf der anderen Seite genau diese Unterstützung als Strafmaßnahme fordert“, sagte BLL-Chef Christoph Minhoff.

Die Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe wiederum fordert anlässlich der Foodwatch-Studie ein umfassendes Verkaufsverbot von zuckerhaltigen Getränken an Schulen. Der Grundstein für das Ernährungsverhalten werde im Kindesalter gelegt. Die Organisation plädiert seit 2012 für Trinkwasserstationen in den Schulfluren. „Schule hat Vorbildfunktion und alle Schüler aller sozialen Schichten werden hier erreicht. Deshalb muss die Politik dieses Setting noch mehr für die Gesundheitsförderung nutzen“, sagte Vorstandsvorsitzender Dr. Jens Kröge.