Wearables-Wettstreit im Gesundheitsmarkt dpa, 02.09.2016 17:14 Uhr
Am Anfang der Geschäfts standen einfache Fitness-Armbänder, die Schritte zählten und daraus mehr oder weniger genau die verbrauchten Kalorien errechneten. Schon damit entstand eine neue Produktkategorie. Inzwischen wagen sich die Anbieter wie Marktführer Fitbit an komplizierte Berechnungen, die tieferen Aufschluss über die Gesundheit eines Nutzers geben sollen.
So fand der französische Anbieter Withings, der in diesem Jahr von Nokia übernommen wurde, eine Möglichkeit, den Zustand von Herz und Gefäßen mit Hilfe einer Personenwaage zu ermitteln. „Schon bei unserer ersten Waage vor acht Jahren war uns ein Signal der Sensoren aufgefallen, das wir nicht so recht einordnen konnten“, erinnert sich Gründer Cedric Hutchings. Es stellte sich heraus, dass die Technik den Stoß erkannte, mit dem das Herz das Blut durch die Gefäße schickt.
Mit verfeinerten Sensoren und besserer Software misst Withings auf dieser Basis inzwischen das Tempo, mit dem das Blut durch die Gefäße fließt. Daraus liessen sich Rückschlüsse über Blutdruck und den Zustand der Gefäßwände machen. Eventuelle Bewegungen des Nutzers würden per Software herausgerechnet. Das Ganze sei nicht so präzise, dass die Waage als medizinisches Gerät anerkannt werden könnte. „Aber da steckt wirklich Wissenschaft dahinter“, versichert Hutchings, der nach der Übernahme das gesamte Geschäft von Nokia mit Gesundheitslösungen führen soll.
Der einstige Handy-Weltmarktführer, der sich mit dem Verkauf der Mobilfunk-Sparte aus dem Konsumenten-Geschäft verabschiedet hatte, sucht gerade aufs Neue den Weg in den Alltag der Verbraucher und hat dafür das Thema Gesundheit als einen zentralen Türöffner ausgemacht. Hutchings gab gerade erst die Einstellung von 100 neuen Mitarbeitern im Withings-Heimatland Frankreich bekannt.
Auch Fitbit, der Pionier bei Fitnessbändern und Marktführer im Wearables-Geschäft mit tragbarer Technik, experimentiert mit komplizierten Berechnungen. Die Firma aus San Francisco hat eine Methode gefunden aus der Kombination von Puls und Tempo einen Wert zu bestimmen, der in etwa dem maximalen Lungenvolumen entspricht, das sonst aufwendig in medizinischen Einrichtungen gemessen wird. „Wir wollen den Nutzern keine falsche Präzision vorgaukeln“, sagt Fitbit-Manager Woody Scal, der für das operative Geschäft zuständig ist. Aber Vergleichtests im hauseigenen Labor hätten das Konzept bestätigt.
Von Fitbit stammt nach wie vor rund jedes Vierte weltweit verkaufte Wearable-Gerät. Damit verteidigt der Fitness-Spezialist sein Revier bisher erfolgreich gegen die neue Konkurrenz der Smartwatches von Apple oder Samsung sowie auf der anderen Seite des Spektrums gegen Billig-Bänder aus China, wie etwa von Smartphone-Aufsteiger Xiaomi.
Fitbit investiere massiv in Forschung, um den Vorsprung zu halten, sagt Scal. „Manches davon wird sich im kommenden Jahr auszahlen, manches in fünf Jahren, anderes vielleicht gar nicht.“ Zu den Plänen gehöre auch, die Daten zur persönlichen Gesundheit präziser zu sammeln und einzusetzen. Scal hält es für möglich, dass in der Zukunft einige Geräte auch eine medizinische Zertifizierung bekommen.
Aber auch sonst könnte für Ärzte Daten aus Fitness-Technik nützlich sein, zum Beispiel, wenn es darum gehe, für den Patienten Argumente dafür zu finden, dass er seinen Lebensstil ändern solle. Und immer mehr werde man dem Nutzer auch im Alltag Empfehlungen geben. Künstliche Intelligenz dafür bei der Aufbereitung der Daten „definitiv“ eine Rolle spielen, sagt der Fitbit-Manager.
Eine direkte Gefahr durch Computer-Uhren mit ihrem breiteren Funktionsumfang sieht Scal nach wie vor nicht. „Smartwatches sind immer noch eine Lösung auf der Suche nach einem Problem.“ Die Nutzer wollen gezielt Benachrichtigungen und Fitness-Informationen und nicht das weltweite Web auf dem Handgelenk, argumentiert er. Konkurrent Withings setzte früh auf das Konzept, die Fitness-Funktionen in einer Uhr mit klassischem Aussehen zu verstecken. Auf dieses Prinzip sprangen inzwischen auch diverse Schweizer Uhrmacher auf.
Zur IFA brachte Hutchings ein neues Modell mit, das immerhin einen kleinen Display im Zifferblatt hat. Bei Fitbit schließt Scal nicht aus, irgendwann auch eine vollwertige Smartwatch im Angebot zu haben – aber für Fitbit komme eine Batterielaufzeit von einem Tag wie bei der Konkurrenz nicht in Frage, hakte er ab.