Lunapharm-Skandal

Firmennetzwerk organisierte Arzneimittelschmuggel APOTHEKE ADHOC, 24.08.2018 11:09 Uhr

Berlin - 

Die Ermittlungen und Recherchen im Lunapharm-Skandal decken immer mehr ein bundesweites Netzwerk für den mutmaßlichen Handel mit gestohlenen und aus Griechenland geschmuggelten Arzneimitteln auf. Jetzt wurde in Wiesbaden die Firma Rheingold durchsucht. Auch Rheingold soll wie Lunapharm von einer griechischen Apotheke illegal beschaffte Krebsmedikamente bezogen haben. 

Rheingold ist in Brandenburg ebenfalls seit Jahren bekannt und gehört zu einem Netzwerk von Firmen, in dem Lunapharm-Besitzerin Susanne Krautz-Zeitel und der in Griechenland in Haft sitzende Deutsch-Ägypter Mohamed Deyab Hussein eine zentrale Rolle spielen. Bereits im Jahr 2010 wurde Hussein, dem Inhaber des Pharmahändlers Rheingold in Brandenburg, die Großhandelserlaubnis von den gleichen Personen der Brandenburger Arzneimittelaufsicht entzogen, denen jetzt im Fall Lunapharm Versagen vorgeworfen wird. Grund waren damals Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten eines Großhändlers. Aus diesen Zeiten müsste der Brandenburger Arzneimitelaufsicht auch Lunapharm-Besitzerin Krautz-Zeitel bekannt sein.

Für die Großhandelsfirma Rheingold organisierte Krautz-Zeitel nämlich in Blankenfelde-Mahlow ­– dem Firmensitz von Lunapharm – bei der Gründung die Geschäftsräume und war auch beim Erwerb der Großhandelserlaubnis behilflich. In diesem Zusammenhang spielt auch der heutige Anwalt von Hussein, Gunter Kowalski, ein Rolle. Kowalski hat nach Angaben der Auskunftei Northdata nach dem Umzug der Firma nach Wiesbaden zeitweise die Geschäfte von Rheingold geführt. Alle Akteure sind seit Jahren miteinander bekannt und geschäftlich verbunden.

Rheingold gehört zu einem größeren Firmemgeflecht. Darin zieht die ebenfalls Hussein gehörende Firma Printemps Hospital & Pharma-Medical Supplies Deutschland die Fäden. Die Firma ist wie Lunapharm und Rheingold im Potsdamer Handelregister gemeldet. Rheingold wurde Ende 2017 liquidiert. Bei den jetzt stattgefundenen Durchsuchungen waren Potsdamer Staatsanwälte vor Ort. Umfangreiche Akten und Datenträger wurden laut ARD-Magazin Kontraste sichergestellt – jedoch keine Medikamente. Objekte in Darmstadt, Dreieich, Offenbach, Schlangenbad, Bad Homburg und Wiesbaden wurden durchsucht.

Die Zahl der Beschuldigten in dem Verfahren wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Hehlerei und des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz wurde von zwei auf sieben erweitert. Die fünf neuen Beschuldigten im Alter von 29 bis 67 Jahren sind Geschäftspartner von Lunapharm. Rheingold Pharma-Medica Deutschland Ltd. soll allein 2016 für mehr als 1,4 Millionen Euro Medikamente von der griechischen Apotheke geordert haben.

Unterdessen wurden nach gemeinsamen Recherchen von Kontraste und der Sendung „10vor10“ des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF) in den frühen Morgenstunden auch im Schweizer Kanton Zug Geschäftsräume des Pharmagroßhändlers Hadicon AG durchsucht. Die Durchsuchungen wurden von der Schweizer Arzneimittelaufsicht Swissmedic, die über Strafverfolgungskompetenzen verfügt, geleitet. Dabei wurde ebenfalls umfangreiches Aktenmaterial sichergestellt.

Auch die Hadicon AG unterhielt nach Informationen von Kontraste Geschäftsbeziehungen mit der griechischen Apotheke. Allein 2014 orderte das Unternehmen laut den griechischen Ermittlungsakten für knapp 1,7 Millionen Euro Medikamente von dort. Die Firma, die von einem Deutschen geleitet wird, war 2012 schon einmal in den Schlagzeilen, als sie in den Handel mit gefälschten Krebsmedikamenten verwickelt war. Ein strafbares Verhalten konnte damals jedoch nicht nachgewiesen werden.

Aus Abhörprotokollen griechischer Ermittler geht hervor, dass der Deutsch-Ägypter Hussein sich mit einem Mitarbeiter der Hadicon AG über den Medikamentenhandel beriet und dabei einen Verantwortlichen der Hadicon AG als den „König des Großhandels“ titulierte. Auf Anfrage erklärte die Hadicon AG gegenüber dem SRF, man verwahre sich gegen den Vorwurf, unlauter oder gar illegal gehandelt zu haben. Zudem erklärte die Firma, man unterhalte seit Anfang 2016 keinerlei Geschäftsbeziehungen mehr zur betreffenden Apotheke in Griechenland „in Zusammenhang mit griechischen Medikamenten“. Ob die Hadicon AG danach jedoch im Zusammenhang mit anderen Medikamenten noch mit der Apotheke in geschäftlichem Kontakt stand, ließ das Unternehmen offen.

Informationen aus griechischen Ermittlungsakten legen zudem nahe, dass Hadicon noch im März 2018 mit der griechischen Apotheke gehandelt hat. Zu der Apotheke erklärte Hadicon: „Diese Apotheke besaß eine vom griechischen Staat ordnungsgemäß ausgestellte Bewilligung für Pharmagrosshandel und war damals einer der Lieferanten von Hadicon.“ Diese Aussage ist nach Informationen von Kontraste falsch – griechische Apotheken dürfen laut der griechischen Arzneimittelaufsicht EOF grundsätzlich nicht als Großhändler auftreten.

Weitere Spuren in dem Fall um die gestohlenen Krebsmedikamente führen in die Niederlande und nach Italien. Damit deutet sich der Verdacht eines kriminellen und international tätigen Netzwerks von Medikamentenhändlern an, das illegal beschaffte und aufgrund von falscher Lagerung womöglich unwirksame Krebsmedikamente mit hohen Gewinnen in Europa in Umlauf brachte.