Fernsehen

Wissenschaftler kritisieren Arztserien dpa, 29.03.2014 09:36 Uhr

Berlin - 

Mediziner und Medienwissenschaftler wünschen sich in deutschen Arztserien mehr Bildung statt Heile-Welt-Geschichten. „In den USA bietet die nationale Gesundheitsbehörde Drehbuchschreibern eine kostenlose Beratung für Medizinthemen an“, sagte Professor Dr. Jürgen Schäfer, Kardiologe am Universitätsklinikum Marburg. „So etwas würde ich mir in Deutschland auch wünschen. Wir verschenken da viel Potenzial bei der Gesundheitsaufklärung.“

Der Mediziner ist bekannt dafür, dass er „Dr. House“ seit sechs Jahren in Seminaren für seine Studenten nutzt. Er findet die US-Serie, in der es um seltene Erkrankungen geht, ausgezeichnet recherchiert. So gut, dass er sich bei dem schweren Leiden eines Patienten nach dem Einsatz einer Hüftprothese an eine Folge erinnert fühlte: Es könnte ja auch eine Kobaltvergiftung sein – und es war tatsächlich eine. „Gutes Entertainment kann Leben retten“, sagt er dazu.

Professor Dr. Marion Esch, Medienwissenschaftlerin an der Technischen Universität Berlin, kritisiert die Inhalte von deutschen Arztserien schon länger. „Es gibt bei uns kein ausdrückliches Verständnis dafür, dass Fernsehunterhaltung bilden soll“, sagt sie. Das High-Tech-Land Deutschland mit seinen Forschungserfolgen in Medizin und Naturwissenschaften, Technologie und Informatik spiegele sich im „Süßstoff“ der Produktionen kaum wider.

Dabei hätten TV-Serien durchaus Einfluss auf Berufswünsche. Die US-Produktion „CSI“ mit ihrem Schwerpunkt auf Beweis- und Spurensicherung habe in allen Ländern, in denen sie ausgestrahlt wird, für mehr Studienanfänger im Fach Forensik gesorgt. Und noch eines stört Esch: Das Frauenbild in deutschen Arztserien. Ein weiblicher Chefarzt sei kaum vorstellbar. „Und wenn eine Frau richtig Karriere macht, ist sie schnell eine Rabenmutter.“ Ihre Studentinnen hassten diese Stereotype, berichtet Esch. In US-Serien sei auch das völlig anders.

Professor Dr. Edmund Neugebauer, Experte für chirurgische Forschung an der Uni Witten/Herdecke, hat nichts gegen deutsche Arztserien. Aber auch er sieht Möglichkeiten für mehr. „Wenn Folgen zeigten, wie sich selbstbewusste und mündige Patienten im Krankenhaus verhalten, wäre das toll“, sagt er. „Ich berate das Fernsehen da gern“. Denn noch immer erklärten viele Ärzte zu wenig – und Patienten fragten auch oft kaum nach. Neue Vorbilder im TV wären deshalb gut.

Sven Miehe, Produzent von „In aller Freundschaft“, sieht deutsche Arztserien in einer extremen Heile-Welt-Tradition angesiedelt. Krankheit sieht in der Realität oft ganz anders aus. Bei einem Wandel fürchtet Miehe allerdings, Zuschauer zu verlieren. Medienwissenschaftlerin Esch hält mit Blick auf die Zukunft dagegen: Junge Leute schauten ohnehin die US-Serien auf privaten Sendern. Die deutschen Formate bei ARD und ZDF würden von Senioren bevorzugt.

Auch Schauspieler Thomas Rühmann, seit 16 Jahren TV-Chirurg, sieht seine „Sachsenklinik“ weichgezeichnet, hat damit aber kein Problem. Die Zuschauer wollten danach ja gut schlafen können. Als es eine Folge über Vogelgrippe gab, habe es Vorwürfe gehagelt, dass Fernsehen die Leute verrückt mache. Medizin spielt für Rühmann auch nicht die größte Rolle in der Serie. Zwar hat er sich zur Vorbereitung eine Operation im Uniklinikum angesehen. „Ich mag aber mehr die unterhaltenden Konflikte in der Serie.“