Apotheker im Berliner Nordosten leben weiter gefährlich: Am Freitagabend hat der bisher unbekannte Räuber, der schon mindestens sechs Apotheken in der Gegend überfallen hat, erneut zugeschlagen. Diesmal hat es eine Apotheke im Stadtteil Marzahn erwischt. Der Überfall lief nach dem gleichen Schema ab wie die vorherigen: Kurz vor Feierabend betrat der Täter die Offizin. Mit einem einem Küchenmesser bedrohte er die Mitarbeiter und verlangte alles Geld aus der Kasse. Erneut war die Inhaberin nicht auf ihn vorbereitet – auch weil die Polizei bisher nicht ausreichend über die Gefahr informiert.
„Das mit dem Geld kann man mit der Versicherung regeln“, sagt Monika-Gabriele Piesker, „aber das traumatische Erlebnis für meine beiden Mitarbeiterinnen bleibt“. Die beiden PTA hatten am Freitagabend Dienst in Pieskers Atrium-Apotheke in Berlin-Marzahn, als kurz vor Ladenschluss ein Mann in die Offizin kam, die beiden mit einem Küchenmesser bedrohte und das Geld aus der Kasse verlangte. Beide Mitarbeiterinnen kooperierten. Als der Räuber hatte, was er wollte, verließ er die Apotheke und verschwand in die anliegende Havemannstraße. Die beiden Mitarbeiterinnen sind seit dem Überfall krankgeschrieben.
Das Vorgehen und die Täterbeschreibung passen auf den Räuber, der seit über einem Monat im Nordosten der Hauptstadt sein Unwesen treibt: Mindestens sieben Apotheken hat er seit dem 11. Oktober überfallen. Der erste Fall ereignete sich in Ahrensfelde an der Berliner Stadtgrenze, danach ging es in Richtung Stadtzentrum, nach Neu-Hohenschönhausen, Alt-Hohenschönhausen, Weißensee und nun Marzahn.
Ganz unvorbereitet waren Piesker und ihre Mitarbeiterinnen indes nicht: „Das Komische war: Am Freitagmittag war der Fahrer vom Großhandel hier und erzählte noch, dass hier in der Gegend gerade viele Apotheken überfallen werden“, erinnert sie sich. „Da kam mir schon in den Sinn, dass ich die Tageseinnahmen in Zukunft öfter nach hinten bringen sollte. Dass es dann aber just am selben Abend passiert, hätte ich nicht geglaubt.“ Von offizieller Seite hingegen wurde sie nicht vorgewarnt. „Von der Polizei? Da kam überhaupt nichts“, kritisiert sie. „In der Vergangenheit kamen ja manchmal Warnungen oder ähnliches, aber dieses mal wirklich gar nichts.“
Dabei ist die Berliner Polizei über die Raubserie informiert. Bereits vor einer Woche beteuerte sie auf Anfrage, sie habe „parallel zu den strafprozessualen Ermittlungen [...] über relevante Abschnitte Präventionsmaßnahmen vorgenommen“. So seien beispielsweise Präventionsgespräche in potentiell betroffenen Apotheken durch die Kontaktbereichsbeamten veranlasst worden. Zumindest in der Apotheke von Piesker sind die Beamten dabei nicht vorbeigekommen.
Das hätten sie aber vielleicht nicht einmal gemusst. Andere Opfer des Räubers beklagen, dass die Polizei nicht einmal Phantombild oder eine Täterbeschreibung zur Verfügung stellt. Hätte sie das, könnte die Raubserie bereits beendet sein. Denn die Inhaberin der am 30. Oktober überfallenen Wartenberger Apotheke in Neu-Hohenschönhausen war besser informiert.
Nur eine Woche vor dem Überfall hatte sich die Apothekerin Dagmar Lelenk von sich aus an die Polizei gewandt, um darum zu bitten, dass die umliegenden Apotheken gewarnt werden. „Außerdem habe ich nach einer Täterbeschreibung gefragt. Da wurde mir gesagt, dass das Phantombild vom Gericht noch nicht freigegeben wurde“, so Lelenk. „Wenn wir dieses Phantombild da schon bekommen hätten, wäre die ganze Geschichte jetzt vielleicht schon abgeschlossen.“
Denn als ihre angestellte Apothekerin am Abend des Überfalls mit einer Kollegin ihren Dienst tat, sah sie den Räuber bereits rund eine halbe Stunde vor der Tat. „Er saß auf dem Platz vor der Apotheke auf einer Bank und hat ein Bier getrunken“, erinnert sich die überfallene Apothekerin Caroline Schuldt. „Meine Kollegin hat ihn beobachtet und mir gezeigt. Aber man kann sich ja nicht jedes mal verrückt machen, wenn da einer sitzt und Bier trinkt.“ Hätte sie ihn erkennen können, ein Anruf bei der Polizei hätte die Raubserie wahrscheinlich beendet.
Warum also veröffentlicht die Polizei weder Phantombild noch Täterprofil? „Das Ermittlungsverfahren wird seitens der Staatsanwaltschaft Berlin geführt“, antwortet die Polizei auf Anfrage. „Auskünfte zu laufenden Ermittlungen und polizeilichen Maßnahmen können daher durch die Polizei Berlin nicht erteilt werden.“ Die Staatsanwaltschaft wiederum hat eine Anfrage bisher nicht beantwortet.
Mittlerweile informieren sich die Apotheker der Region gegenseitig und versuchen sich zu warnen. Eine Täterbeschreibung kommt von der überfallenen Apothekerin Carolin Schuldt aus der Wartenberger Apotheke. Groß und kräftig sei der Täter, aber nicht dickt. Er habe breite Schultern, sei wahrscheinlich zwischen 25 und 30 Jahre alt und habe eine eher dunkle Hautfarbe. Das einzige Auffällige an seinem Äußeren sei die Akne im Wangenbereich, Piercings oder Tattoos habe sie nicht gesehen. Außerdem hat sein wenig professionelles Vorgehen der Polizei eine Spur gebracht: Die Bierflasche, die er vor der Apotheke getrunken hatte, wurde samt Fingerabdrücken sichergestellt.
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