Im Silicon Valley greift ein eigenartiger Trend um sich: Die Menschen verzichten stunden- oder tagelang auf Essen, um danach ordentlich reinzuhauen. Angeblich können sie sich besser konzentrieren. Gesund sein soll es auch noch. Was ist dran am Intervallfasten?
Keine Pasta, keine Schokolade, kein genüssliches Schlemmen im Freundeskreis: Ständig verzichten zu müssen, ist für viele eine schreckliche Vorstellung. Was vielen leichter fällt: intermittierendes Fasten. Dabei wechseln sich Stunden oder Tage des Fastens ab mit Zeiten, in denen ganz normal gegessen werden darf. Möglich sind unter anderem eine 2:5-Regelung, also zwei Tage fasten und fünf Tage normal essen, oder eine 16:8-Variante, also 16 Stunden fasten und acht Stunden essen.
„Der Mensch ist ursprünglich nicht an konstante Mahlzeiten gewöhnt“, sagt der Hamburger Diabetologe und NDR- „Ernährungsdoc“ Dr. Matthias Riedl. Unsere Vorfahren waren aufgrund ihrer Lebensumstände auf Phasen des Fastens eingestellt. Erst wenn die Jagd erfolgreich oder die Ernte reif war, konnte gegessen werden. Ein Wechsel zwischen Fastenzeiten und Zeiten der Nahrungsaufnahme entspreche deshalb einer natürlichen Lebensweise, sei sozusagen „die für den Menschen artgerechte Ernährung“, erläutert Riedl.
Da es in unserem Alltag mit regelmäßigen Mahlzeiten und vielen Snacks keine Hungerphasen mehr gibt, „ist der Köper ständig im Speichermodus“, sagt Riedl, der im Vorstand des Bundes der Ernährungsmediziner sitzt. Mögliche Folgen können Übergewicht und daraus resultierende Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Demenz sein. Werden wie beim Intervallfasten jedoch Hungerphasen in den Alltag eingebaut, lernt der Organismus wieder, auf seine eigenen Reserven zurückzugreifen. Der Insulinspiegel sinkt, und der Fettabbau wird angeregt.
Auch der Konstanzer Sportwissenschaftler, Autor und Gesundheitsberater Dr. Michael Despeghel betont, ständiges Snacken wirke sich negativ auf den Stoffwechsel aus. Beim zeitweisen Fasten hingegen werde der Organismus entlastet, Stoffwechsel und Organe können regenerieren. Despeghel plädiert für die 2:5-Methode. Er empfiehlt, die Kalorienzufuhr an zwei Tagen der Woche auf 500 Kilokalorien pro Tag zu reduzieren. An den restlichen fünf Tagen wird wie gewohnt gegessen. Schon durch die Reduzierung der wöchentlichen Gesamtkalorienzahl stehen die Chancen gut, mit vergleichsweise wenig Veränderung im Alltag nachhaltig abzuspecken.
Der Vorteil: Die Fastentage können je nach persönlichen Lebensumständen gewählt werden können. Wer nicht auf das große Sonntagsfrühstück mit der Familie verzichten will, fastet wochentags. Wer unter der Woche ständig an Geschäftsessen teilnehmen muss, entlastet seinen Körper eben am Wochenende. An den Fastentagen sei es wichtig, viel zu trinken, betont Despeghel – am besten Wasser, Tee und Gemüsebrühe. Einmal am Tag gibt es dann eine eiweißreiche Mahlzeit, die den Körper mit einem Mindestmaß an Energie versorgt und so verhindert, das Muskelmasse abgebaut wird.
Der Münchner Fitnesstrainer und Ernährungsberater Hanjo Fritzsche praktiziert intermittierendes Fasten dauerhaft. Er lebt nach der 16:8-Methode und verzichtet auf das Frühstück. Da er sich acht Stunden am Tag normal ernährt, nimmt er in der restlichen Zeit nur Wasser zu sich. „In den ersten Wochen denkt man viel über Essen nach“, erzählt Fritzsche. Manch einer klagt dann auch über Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Wenn der Körper sich aber an den neuen Rhythmus gewöhnt hat, fühlt man sich nach Fritzsches Erfahrung wach und kann sich besser konzentrieren. Dass sich temporäre Fastenzeiten positiv auf die Stimmung und die geistige Leistungsfähigkeit auswirken, zeigen auch Tierversuche, sagt Riedl. Bei Mäusen und Ratten profitierte auch das Immunsystem, und sogar die Lebenserwartung stieg.
Geeignet ist Intervallfasten prinzipiell für jeden, der es schafft, die Fastenzeiten durchzuhalten und in seinen Wochenablauf zu integrieren, sagt Riedl. Eine wichtige Erfahrung sei dabei für viele Fastende, dass sie problemlos auf eine Mahlzeit oder zwei verzichten können. Laut Fritzsche wirkt das befreiend. Zu wissen, dass man auch eine Zeit lang ohne Mahlzeit auskommt, lässt einen viel flexibler den Tag planen. Zum Start in das Intervallfasten empfiehlt Despeghel einen Blick in den Spiegel, um den Ist-Zustand realistisch einschätzen zu können.
Ein erstes Ziel könne etwa sein, fünf Zentimeter Bauchumfang zu verlieren. Dann gelte es, die Fastentage für die Woche festzulegen und zu planen, was es an diesen Tagen zu essen gibt. Ausgangssituation und erste Erfolge empfiehlt der Experte zu protokollieren – das motiviert.
Hilfreich ist es nach Ansicht der Experten, das intermittierende Fasten mit Sport und Bewegung zu begleiten. „Sitzen treibt den Blutzuckerspiegel nach oben“, sagt Despeghel. Das ist kontraproduktiv. Bewegung hingegen stärke neben dem Abbau von Kalorien das allgemeine Wohlbefinden und zeige dem Fastenden „ich bin leistungsstark“. Nüchtern zu trainieren, sei „eine der besten Fatburning-Strategien überhaupt“, sagt auch Fitnesstrainer Fritzsche. Der Körper sei gezwungen, auf seine Reserven zurückzugreifen, die Fettverbrennung wird optimiert, und auch hartnäckige Fettpolster in den Problemzonen kann man so zum Schmelzen bringen.
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