Mehrheit findet Fasten sinnvoll dpa, 27.02.2017 13:53 Uhr
Manchmal bleibt es nur ein guter Vorsatz und auch die Zahl der Abbrecher ist unbekannt: Doch am Aschermittwoch sind die fetten Zeiten für viele Menschen in Deutschland erst einmal vorbei. Bis Ostern heißt es fasten, was allerdings mehr oder weniger streng ausgelegt wird. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage für die Krankenkasse DAK ist zumindest mehr als die Hälfte der Deutschen (55 Prozent) vom Fasten überzeugt. 15 Prozent halten einen Verzicht auf bestimmte Genussmittel und Gewohnheiten aus gesundheitlicher Sicht sogar für „sehr sinnvoll“, 40 Prozent immerhin noch für „sinnvoll“. Fastenmuffel sind 42 Prozent der Befragten.
Der Brauch des Fastens ist Jahrtausende alt. Zum einen kann er zeitweiligen Verzicht auf Nahrung oder deren Reduzierung bedeuten. In einigen Kulturen geht es darum, bestimmten Speisen wie Fleisch oder Fisch ständig oder vorübergehend zu entsagen. Die Gründe sind so vielfältig wie die Möglichkeiten des Verzichts. Den einen dient er als Vorbereitung auf religiöse Feste und Riten. Andere wollen damit den Körper „reinigen“ oder per Fasten-Askese Willenskräfte bündeln. Zudem wird die Enthaltsamkeit als Medium verstanden, Zustände der Ekstase und damit den Kontakt zum Göttlichen herzustellen.
Bei den großen Weltreligionen ist Fasten meist an bestimmte Tage oder Perioden gebunden. Der Islam verlangt es im Ramadan, dem neunten Monat des muslimischen Mondjahres. Eine besonders strenge Auslegung schreibt der Buddhismus vor: Die meisten buddhistischen Mönche nehmen das ganze Jahr über nur eine Mahlzeit am Vormittag ein. Im Alten Testament galt Fasten als Akt der Demut und Buße. Eine solche Askese sollte Vollkommenheit bringen und den zornigen Gott gnädig stimmen. Das junge Christentum übernahm den Brauch und modifizierte ihn. Bei den Katholiken gelten die Wochen vor Ostern als Fastenzeit.
Doch auch Atheisten „solidarisieren“ sich in dieser Zeit gern mit den Christen. Sie halten aus gesundheitlichen Erwägungen Maß, wollen ihrem Körper einfach mal was Gutes tun. Forsa fragte bei der jüngsten Erhebung auch nach, auf was die Fastenwilligen am ehesten verzichten wollen. Am häufigsten wurden Alkohol (68 Prozent) und Süßigkeiten (59 Prozent) genannt. Fleisch (39) folgt an dritter Stelle vor Fernsehen und Rauchen (je 34). Etwa jeder Fünfte (18 Prozent) will am ehesten das Auto in der Garage lassen. Fast ein Viertel der Betroffenen (23 Prozent) gab eine abgespeckte Nutzung von Computer & Co an.
Experten plädieren für den Verzicht auf Alkohol oder Fleisch aus gesundheitlichen Erwägungen. „Natürlich macht das Sinn. Es senkt die Harnsäure und Cholesterinwerte, der Blutzucker reguliert sich und das Geschmacksempfinden verbessert sich“, erklärt die Chemnitzer Ernährungsberaterin Candy Cermak. Die Alkohol-Abstinenz führe zu einer Entgiftung des Körpers. In der Fastenzeit könne man sich wieder mehr auf das Wesentliche konzentrieren – auf sich, die Familie oder ein gutes Buch. Cermak spricht von Entschleunigung. Zudem gebe es einen schönen Nebeneffekt: „Meist purzeln auch noch ein paar Pfunde.“
Ein Risiko birgt die plötzliche Umstellung der Ernährungsgewohnheit aus Sicht von Cermak nicht. Wer wie beim Heilfasten aber komplett auf feste Nahrung verzichten wolle, solle das unbedingt unter Aufsicht eines Fastentrainers tun: „Am besten, man nimmt sich dafür Urlaub, eine Auszeit ohne Ablenkung.“ Generell gelte in der Fastenzeit eine ausgewogene und abwechselungsreiche Ernährung – dann fehle es auch nicht an den benötigten Nährstoffen. Das Eisen im Fleisch könne man beispielsweise mit pflanzlichen Lebensmitteln kompensieren: „Riskant sind dagegen Crash-Diäten und einseitige Ernährung.“
„Ja, man braucht eine Eingewöhnungszeit und Willensstärke, denn die Verführung lauert überall“, berichtet Claudia Szymula, Sprecherin der Krankenkasse Barmer in Sachsen, von Erfahrungen in ihrer Familie. In den ersten Tagen sei der Drang groß, in die alten Gewohnheiten zurückzufallen. Es helfe aber, wenn dann die anderen einen an die guten Vorsätze erinnern: „Fasten in der Gruppe ist leichter.“ Nach geraumer Zeit werde der Verzicht immer einfacher: „Gleichzeitig hatten wir alle nach der bestandenen Fastenzeit ein stolzes Gefühl, es geschafft zu haben. Ganz nach dem Motto: Wenn ich nur will, kann ich alles ändern.“