Fortschrittlich war er immer. In seiner Apotheke habe er schon früh einen Computer eingeführt, sagt Apotheker Helmut Wirz. Auch gefallen sei er immer schon gern– nicht auf die Nase, sondern durch die Luft. Zuerst jahrelang bei Absturz-Simulationen in seiner Cessna, heute nur an ein Seil gebunden. In den Medien ist der 89-Jährige als „Bungee-Opa“ aus Dortmund bekannt. 109 mal ist er gesprungen, in Duisburg, Rom und Alanya an der türkischen Riviera.
Nachdem er 1948 aus französischer Gefangenschaft kam, musste er zunächst sein Abitur nachholen. Gleich im Anschluss studierte er Pharmazie in Bonn. „Mein Vater war Pharmazeut. Damals war das so üblich, dass der Sohn in die Fußstapfen tritt“, sagt Wirz. 1954 trat er den Dienst in der Apotheke seines Vaters an, 1960 übernahm er diese, seine Frau arbeitete im Büro. Daneben beschäftigte er zwei weitere Approbierte in der Offizin.
„Ich habe alles modernisiert“, erzählt Wirz. Beim Vater sei alles sehr ursprünglich gewesen. Damals habe man in einem Defektbuch alles eingetragen, was bestellt werden musste. Nur konnte das nicht jeder lesen, also nahm er alles auf Tonband auf. „Ein Tonband für jeden Hersteller“, erinnert sich Wirz. Auch einen Apothekencomputer habe er angeschafft. „Der ist aber heute schon tausendfach überholt.“ Die Arbeit habe ihm großen Spaß gemacht, sagt er.
Einen Ausgleich für die Arbeit am HV-Tisch brauchte er schon immer: 1965 machte Wirz seine Fluglizenz und kaufte sich eine Cessna. Da war er 40 Jahre alt. 5000 Stunden ist er in den folgenden 32 Jahren geflogen. „Luft war mein Element“, sagt er.
1996 schloss er die Apotheke. „Das war in der Zeit, in der überall Apotheken neu eröffneten“, sagt er. Die Lage sei so schlecht gewesen, dass man das Geschäft nicht mehr habe verkaufen oder verpachten können. Und sein Sohn hatte sich einen anderen Beruf gesucht.
Nach einer Weile konnte er sein teures Hobby nicht mehr finanzieren. Wirz machte sich auf die Suche nach etwas Neuem. Er sprang ein paar mal aus einem Flugzeug, an einen professionellen Fallschirmspringer gebunden. „Ich konnte aber nicht selber die Reißleine ziehen“, bemängelt er.
1999, mit 74 Jahren, ging er auf Weltreise. 23 Tage lang fuhr er über Rarotonga in der Südsee nach Hawai, nach Los Angeles und schließlich nach Neuseeland. Zu dieser Zeit las er vom Bungee-Springen, das laut Wirz damals in Deutschland noch nicht so verbreitet war. Also probierte er es am anderen Ende der Welt.
42 Meter stand er über dem Boden, als er zum ersten Mal in die Tiefe sprang. „Das kann man mit dem Fliegen schlecht vergleichen“, sagt Wirz. „Bungee, das fühlt sich vogelfrei an, man hat nichts um sich herum.“ Das Gefühl hänge sehr von der Höhe ab.
Ein Jahr später waren die Medien schon auf ihn aufmerksam geworden und spendierten ihm einen Sprung vom Dortmunder Fernsehturm. Obwohl das Fernsehteam nicht wie verabredet um 15 Uhr vor Ort war, sprang er: knapp 150 Meter nach unten. Um 19 Uhr tauchte das Team auf, da sprang er noch einmal.
Auch auf seinem jüngsten Urlaub in der türkischen Riviera sprang er gleich zweimal nacheinander. Vermutlich weil er gerade eine krankheitsbedingte Zwangspause hinter sich hatte. Vor zwei Jahren ist er in der Sendung „Das Supertalent“ aus 80 Metern Höhe gesprungen. Das Seil hielt Franz Müllner, der „stärkste Mann Österreichs“. Bedenken hatte Wirz bei der wahnwitzig anmutenden Idee keine: „Ich kenne den Franz ja schon lange, da hatte ich hundertprozentiges Vertrauen.“
Insgesamt 109 mal ist Wirz gesprungen. Heute springt er eigentlich nur noch für die Medien. Auf 120 Sprünge will er mindestens kommen. Am 3. Oktober ist der nächste Termin.
In den einschlägigen Kreisen sei er gut bekannt, „sogar weltbekannt“, sagt er, „egal wo ich hinkomme“. Deswegen hat er seit 2012 ein Profil bei Facebook. Viele Fans hätten danach gefragt. „Das war damals so üblich“, sagt Wirz. Sein Profil ist voll von bewundernden Einträgen junger Leute. Wegen seines grauen Stars fällt es ihm schwer, alles zu lesen. Eine Operation will er aber vermeiden, weil er danach nicht mehr springen dürfte.
Wirz' Familie macht sich mittlerweile keine Sorgen mehr. „Die haben sich daran gewöhnt.“ Zumal der Rentner sehr viel fitter ist, als andere in seinem Alter. Mit strammen Schritt läuft er täglich seinen fünf Kilometer „Trim-dich-Gang“.
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