Kristallisierte Pikrinsäure in der Lukas-Apotheke hat für einen Polizeieinsatz in Berlin gesorgt. Wegen Explosionsgefahr musste ein Spezialkommando anrücken. Eine gesamte Straße wurde gesperrt. Die Polizei muss immer wieder wegen vergessener Pikrinsäure-Restbestände anrücken.
Polizeieinsatz in der Wrangelstraße in Kreuzberg: In den Untiefen der Lukas-Apotheke wurde laut dem Polizeibericht Pikrinsäure entdeckt. Bis vor wenigen Jahren musste jede Apotheke Pikrinsäure in ihrem Reagenziensatz bereithalten. Durch die Änderung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ist die Bevorratung mit der Substanz inzwischen nicht mehr vorgeschrieben. Doch viele Apotheken vergessen, dass sie die Säure im Schrank haben, und mit der Zeit trocknet diese ein. Das war offenbar auch in der Lukas-Apotheke der Fall.
Wegen unsachgemäßer Lagerung kristallisierte die Pikrinsäure und wurde gefährlich. Gegen 16 Uhr rückte deshalb ein Spezialkommando der Polizei mit mehreren Wagen an, um den gefährlichen Stoff abzutransportieren. Wegen Explosionsgefahr sperrte die Polizei aus Sicherheitsgründen einen Bereich von 50 Metern um die Apotheke ab. Denn Pikrinsäure ist im Sinne des Sprengstoffgesetzes als explosionsgefährlicher Stoff einzustufen. Kriminaltechniker sicherten die Substanz. Verletzt wurde bei dem Vorfall niemand.
Die Substanz, die chemisch dem Trinitrotoluol (TNT) ähnelt, ist ebenso wie ihr „großer Bruder“ ein starker Sprengstoff. Im Ersten Weltkrieg wurde sie zur Herstellung von Handgranaten tonnenweise hergestellt. Ihre Sprengwirkung zeigte sich beispielsweise 1917 im kanadischen Halifax: In der Hafenstadt kollidierten zwei Frachtschiffe, von denen eines eine Ladung von rund 2300 Tonnen Pikrinsäure an Bord hatte. Außerdem transportierte eines der Schiffe, die „Mont Blanc“, noch 200 Tonnen TNT sowie Benzol und Schießbaumwolle. Durch die entstehende Explosion starben fast 2000 Menschen und die Stadt wurde regelrecht verwüstet.
Als Chemikalie wurde Pikrinsäure in Apotheken unter anderem zur Identitätsprüfung von Benzylpenicillin oder auch Chloroquin verwendet. Die starke Säure bildet mit vielen Stoffen Salze. Diese Pikrate sind meist stark gefärbt und können im Reagenzglas leicht erkannt werden. Inzwischen können Apotheken selbst entscheiden, ob sie ihren Vorrat behalten oder vernichten wollen.
Der Chemikaliengroßhandel liefert die Säure nicht in fester Form, sondern in Wasser gelöst. Mindestens sollte ein Drittel Wasser im Gefäß enthalten sein. Auf diese Weise ist der Umgang mit dem Sprengstoff sicher. Deshalb empfehlen die Apothekerkammern das gesamte Gefäß zwei Mal jährlich zu wiegen und entwichenes Wasser zu ersetzen. Denn kristallisiert die Säure aus, beispielsweise im Deckelrand, droht Gefahr.
Die Reibung beim Öffnen kann ausreichen, um eine Detonation auszulösen. Wird feste Pikrinsäure im Labor entdeckt, sollte diese von Experten vernichtet werden. Immer wieder kommt es bei der Entsorgung der Chemikalie zu Einsätzen von Feuerwehr oder Landeskriminalamt.
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