Transplantationen

Expertentreffen zur Organvergabe dpa, 08.08.2012 11:52 Uhr

Berlin - 

Die umstrittene Praxis bei der Vergabe von Spendeorganen soll überprüft werden. Die Bundesärztekammer (BÄK) will darüber am Donnerstag mit der Stiftung Organtransplantation und anderen Experten beraten, wie Ärztekammer-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery gegenüber der Zeitung „Bild“ ankündigte. Eine Woche später sei Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eingeladen. „Da beraten wir, ob wir bei der schnellen Organ-Zuteilung neue Regeln brauchen“, sagte Montgomery.

 

Ziel sei ein neues Prinzip bei der Vergabe von Spendeorganen, um Missbrauch zu vermeiden, erklärte der BÄK-Präsident. „Wir wollen das Vier-Augen-Prinzip einführen, bei dem ein unabhängiger Arzt feststellen muss, wie krank der Empfänger wirklich ist, damit die Liste nicht mehr gefälscht werden kann.“ Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte zuvor bereits zu einem Treffen am 27. August eingeladen.

Der Kölner Verfassungsrechtler Professor Dr. Wolfram Höfling, der auch im Ethikrat sitzt, hält das ganze System für fundamental falsch. Es könne nicht sein, dass sich Ärzte selbst kontrollieren, sagte er der „Berliner Zeitung“. Generell gehe es bei den Kriterien, nach denen Organe vergeben werden, um Gerechtigkeitsfragen – „und damit Entscheidungen, die der Gesetzgeber treffen muss. Nicht die Ärzte“, so Höfling.

Der Linken-Parteichef Bernd Riexinger forderte, die Vergabe von Spenderorganen unter staatliche Aufsicht zu stellen und regelmäßig einen Organspende-Report zu veröffentlichen. Drittens seien härtere Kontrollen und schärfere Strafen bei Missbrauch nötig, sagte er der WAZ-Gruppe.

 

 

Die Diskussion wurde ausgelöst durch Manipulationen bei der Warteliste für Patienten, die eine Organspende brauchen. In Deutschland gelangen zudem immer mehr Spenderorgane auf Sonderwegen zu todkranken Patienten – an der allgemeinen Warteliste vorbei. Allein im Vorjahr wurden rund 900 Mal Herz, Lunge, Niere, Leber oder Bauchspeicheldrüse per beschleunigter Vermittlung vergeben. Nach offiziellen Angaben handelt es sich dabei um Organe mit möglichen Risikofaktoren.

Der Direktor der Kieler Universitätsklinik für Allgemeine und Thoraxchirurgie, Thomas Becker, verteidigte das sogenannte beschleunigte Verfahren zwar grundsätzlich. Aber: „Wir transplantieren nur noch ein Drittel der Patienten über den eigentlichen Punktwert, während viele Patienten über Sonderregeln ein

neues Organ bekommen“, sagte er. „Und es kann ja eigentlich nicht Ziel eines Systems sein, die Ausnahme zur Regel zu machen.“