Infektionskrankheiten

Experten rätseln über Syphilis-Rate dpa, 01.07.2012 12:00 Uhr

Berlin - 

Auf einmal ist sie wieder da. Lange Jahre sah es so aus, als habe man die Syphilis in Deutschland gut im Griff. Prominente Opfer wie einst Casanova, Friedrich Nietzsche oder Heinrich Heine forderte die einstige „Lustseuche“ seit langem nicht mehr. Doch nun steigen die Erkrankungszahlen plötzlich deutlich an.

„Es hat uns schon sehr überrascht, denn die Zahlen waren in den vergangenen Jahren stabil und 2010 sogar relativ niedrig“, sagt Dr. Viviane Bremer, Syphilis-Expertin am Robert Koch-Institut in Berlin. Doch mit rund 3700 Neuerkrankungen im vergangenen Jahr ist nun wieder das Niveau von 1986 erreicht. Vor allem in Großstädten wie Köln, Frankfurt/Main und Berlin schnellten die Zahlen hoch, bundesweit waren es 22 Prozent mehr Fälle als im Vorjahr.

„Die genauen Gründe dafür kennen wir nicht“, sagt Bremer. Ein Teil des Anstiegs rühre sicherlich daher, dass mittlerweile öfter getestet würde. „Es sind hauptsächlich Männer betroffen, die Sex mit Männern haben. Aber daraus nun zu schließen, dass sich ein sorgloseres Verhalten ausbreitet, ist Spekulation.“

 

 

Syphilis ist zwar meldepflichtig – aber nur anonym, so dass kein Rückschluss auf die Entstehung möglich ist. „Das zu ändern, ist auch nicht sinnvoll. Denn bei einer Namensnennung wäre für viele die Hemmschwelle zu hoch, sich überhaupt testen zu lassen“, sagt die Medizinerin. Bei den HIV-Zahlen schlage sich der Anstieg der Syphilis-Fälle bislang nicht nieder. „Das können wir erst mit Zeitverzögerung einschätzen, in ein bis zwei Jahren.“

Fakt ist: Die Syphilis-Bakterien schädigen die Schleimhaut, so dass auch HIV-Erreger leichter eindringen können. Umgekehrt sind die durch Syphilis hervorgerufenen Geschwüre und Hautläsionen hochansteckend – und das eben nicht nur bei Sexualkontakten. „Kondome sind wichtig, geben aber keinen 100-prozentigen Schutz“, sagt Bremer.

„Bei den sexuell übertragbaren Krankheiten haben wir nicht nur Syphilis im Blick, aber diese Krankheit birgt mit Blick auf HIV das höchste Risiko“, sagt auch Armin Schafberger von der Deutschen Aids-Hilfe. Zwar sei es normal, dass es bei der Syphilis eine gewisse Wellenbewegung gebe, doch die positive Entwicklung bei den HIV-Zahlen will man sich nicht kaputt machen lassen. „Wir werden die Bestrebungen der letzten Jahre nochmals verstärken.“ Soll heißen: mehr Aufklärung und auch mehr Syphilis-Testaktionen. Wer häufig wechselnde Partner hat, solle sich ein- bis zweimal pro Jahr testen lassen, sagt Schafberger. „Das geht ganz einfach mit einem Bluttest.“

Die Therapie der Syphilis ist – falls die Diagnose früh genug erfolgt – zumeist schnell erfolgreich. „Die Krankheit kann sich ja über Jahrzehnte hinziehen. Nur noch in Einzelfällen wird sie so spät erkannt, dass dauerhafte Hirnschäden bleiben“, sagt Bremer. Zudem ist der Syphilis-Erreger einer der wenigen, der problemlos auf Penicillin anspricht. Nicht zu vergleichen also mit den brachialen Behandlungsmethoden, die Erkrankte früher über sich ergehen lassen mussten: giftige Quecksilber-Salben, -Dämpfe und -Injektionen.