Essgewohnheiten

Ägypter besonders oft fettleibig

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Kairo -

Während des Fastenmonats Ramadan bleiben die Schnellrestaurants und Frittierbuden Kairos zumindest tagsüber leer. Erst nach Sonnenuntergang widmen sich die Ägypter ihren Leibspeisen. Das Nationalgericht heißt Koschari, vereint Reis, Nudeln und Linsen mit Tomatensoße und Zwiebeln. In großen Pfannen brutzelt Fettgetränktes: Nicht nur Pommes, sondern auch die beliebten Falafel, Bällchen aus Kichererbsenbrei, füllen die Bäuche des Landes. Und auf jedes ägyptische Sandwich gehört eine dicke Schicht Mayonnaise.

Zu trinken gibt es Säfte, die fast immer gesüßt sind. Manchmal handelt es sich dabei eher um Zucker mit Fruchtgeschmack. Auch die Limonade ist süßer als in Europa. Wer sich in Ägypten umschaut, der wundert sich nicht über die Erkenntnisse, die ein Forscherteam im „New England Journal of Medicine“ vorstellt: Fettleibigkeit bei Erwachsenen ist nirgendwo auf der Welt weiter verbreitet als hier.

„Hier trinken die Menschen zehn Tassen Tee am Tag und die Hälfte der Tasse ist Zucker“, sagt Hussein Gadain, der Landesdirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Gadain sieht die Gründe für die Fettleibigkeit – von der laut des Berichts mehr als jeder dritte Erwachsene betroffen ist – dabei weniger in der ägyptischen Küche. Vielmehr habe die Verstädterung schlechte Essgewohnheiten wie das Fast Food mit sich gebracht.

Bei Nermine Hassan Sajed war es die Diagnose eines Arztes, die ihre Familie zum Umdenken zwang. Die Mutter der Lehrerin hatte Knie- und Rückenprobleme. Eine Folge ihres Übergewichts. Sie müsse abnehmen, riet der Doktor. Vorher habe ihre Mutter mit sehr viel Butter gekocht, sagt Sajed. „Und meine jüngere Schwester hat sich jeden Abend Pommes frites und eine Pastete gemacht, gefüllt mit allem, was sie im Kühlschrank finden konnte“. Diese Zeiten seien nun vorbei. Die ganze Familie esse gesünder.

Doch es ist nicht nur die Nahrung, die die Ägypter dick werden lässt. „Inaktivität ist auch ein großes Problem“, sagt Experte Gadain. Ägypter seien einfach keine Freunde von Sport. Zudem kann man sich am Nil so ziemlich alles liefern lassen: Essen, Einkäufe, Zigaretten. Nicht einmal zum Markt muss man noch selbst.

Kinder spielen zwar Fußball auf der Straße, systematische Übungen, zum Beispiel in Sportvereinen, gibt es aber kaum. Erwachsene bewegen sich kaum noch. Von einem Fitnesstrend wie in Europa ist das Land weit entfernt, auch wenn Präsident Abdel Fattah Al-Sisi sich einst PR-trächtig aufs Fahrrad schwang.

Einen Zusammenhang mit der weniger freizügigen Gesellschaft sieht Gadain nicht. Nur weil gesellschaftliche Normen für viele Menschen am Nil eine Verhüllung der meisten Körperteile verlangen, seien sie nicht weniger körperbewusst.

Natürlich kann man den vielen Kalorienbomben in Ägypten auch entgehen und Salat, Früchte oder Joghurt kaufen. Sie kosten aber Summen, die viele Ägypter nicht bezahlen können. Laut offiziellen Zahlen leben 25 der 93 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Experten gehen von weitaus mehr aus. Eine Portion sättigendes Koschari gibt es teilweise schon für umgerechnet 30 Cent.

Fettleibigkeit ist nach Ansicht von FAO-Fachmann Gadain aber kein Problem nur der Armen, sondern auch in der Oberschicht weit verbreitet. Und wer glaubt, dass der Ramadan die Situation an der Völlerei-Front entspannen könnte, irrt gewaltig. Denn der Fastenmonat, der noch bis Ende Juni geht, hat in Ägypten nichts mit einer Diät gemein.

„Die Menschen sehen diesen Monat als eine Art Wettbewerb, wer mehr kochen und essen kann“, sagt Lehrerin Sajed. Viele Menschen nähmen viel zu und bekämen einen „Kersch“ – eine dicke Wampe. Sajed bleibt der Ramadan-Speck dieses Jahr erspart, wie sie sagt. Dank regelmäßigem Yoga und vor allem dank der neuen, gesünderen Essgewohnheiten ihrer Familie.

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