Stephen Hawking

„Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer“

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Cambridge/London/Berlin -

Ein Leben nach dem Tod – daran glaubte Stephen Hawking nicht. Für ihn war das menschliche Gehirn ein Computer. Trotz schwerster Krankheit erfüllte er sich seine Träume und wurde zum Wissenschafts-Star.

Wenn Stephen Hawking etwas sagte, lauschte die Welt. Jahrzehntelang konnte sich der schwerkranke Astrophysiker aus Großbritannien nur noch über einen Sprachcomputer mitteilen. Doch das hielt ihn von hochkomplexen Themen nicht ab: Gibt es einen Gott? Ist noch anderes Leben im Universum? Kann die Menschheit auf einen fremden Himmelskörper übersiedeln, wenn die Erde unbewohnbar wird? Jetzt ist das Genie im Alter von 76 Jahren in Cambridge gestorben und damit nicht nur im gleichen Alter, sondern auch am Jahrestag der Geburt von Physik-Genie Albert Einstein (14. März 1879).

Hawking litt seit seinem 21. Lebensjahr an der Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), einer seltenen Erkrankung. Etwa drei bis acht Menschen von 100.000 sind davon betroffen. Die Erkrankung des motorischen Nervensystems geht mit einer fortschreitenden und irreversiblen Schädigung oder Degeneration der Neuronen einher, die für die Muskelbewegungen verantwortlich ist. Muskelschwäche, Muskelatrophie und Lähmungen sowie auch Gang- und Sprachstörungen sind die Folge.

Ärzte hatten Hawking mit Anfang 20 vorausgesagt, dass er binnen drei Jahren an der unheilbaren Krankheit sterben werde – er lebte noch mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Diagnose. Den Spaß am Leben und Forschen ließ er sich nicht nehmen, obwohl er seit 1968 im Rollstuhl und fast völlig bewegungsunfähig war. Schon lange konnte er sich auch nur noch mit Hilfe eines Computers verständigen.

Seine Krankheit trieb seinen Ehrgeiz an. Angst vor dem Tod hatte er nicht. Ein Jenseits allerdings hielt Hawking für ausgeschlossen. „Ich sehe das Gehirn als einen Computer an, der aufhört zu arbeiten, wenn seine Einzelteile nicht mehr funktionieren“, sagte er der Zeitung „The Guardian“. „Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer; das ist ein Märchen für Leute, die Angst im Dunkeln haben.“

Menschen mit funktionierender „Hardware“ sollten seiner Ansicht nach den größtmöglichen Wert aus ihren Taten schöpfen. Für Hawking selbst bedeutete das, Licht ins Dunkel des Universums und unserer Herkunft zu bringen. Schwierigste Theorien machte er Laien verständlich; sein Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (1988) wurde zum Bestseller.

In Wissenschaftskreisen fand seine Arbeit größte Anerkennung. Er hatte drei Jahrzehnte den Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik an der Uni Cambridge inne – und war damit ein Nachfolger Isaac Newtons. Zu seinen bedeutendsten Erfolgen gehörte, dass er Anfang der 70er Jahre voraussagte, dass Schwarze Löcher – riesige, extrem massereiche Objekte im Kosmos – unter bestimmten Umständen Energie verlieren. In Anlehnung an Albert Einstein war er jahrelang auf der Suche nach einer Formel, mit der sich die widerstreitenden Theorien über Relativität und Quantenphysik zusammenfügen ließen.

Was Hawking so faszinierend machte, war nicht nur seine Schwäche für die großen Fragen der Menschheit. Es schien auch die Symbolik zu sein, die bei seinen Auftritten mitschwang: Er konnte nicht mehr ohne Hilfe schreiben, nicht sprechen – aber mit dem Kopf reiste er zu den Sternen. „Ich bin der Archetypus eines behinderten Genies“, sagte er einmal. „Die Menschen sind fasziniert von dem Gegensatz zwischen meinen extrem eingeschränkten körperlichen Fähigkeiten und den gewaltigen Ausmaßen des Universums, mit dem ich mich beschäftige.“

Hawking bereiste die ganze Welt, darunter Russland, Japan und China, wie er in seiner Autobiografie „Meine kurze Geschichte“ berichtete. Er ist U-Boot und Heißluftballon gefahren und hat einen Parabelflug in Schwerelosigkeit in einer umgebauten Boeing absolviert. Nur die ersehnte Reise mit einer Rakete ins All schaffte er nicht mehr. Das Weltall zog Hawking seit seiner frühesten Jugend an. Schon in der Schule hatte er den Spitznamen „Einstein“. Nach dem Abschluss studierte er ein paar Semester Physik in Oxford, dann entschied er sich für ein Studium der Kosmologie in Cambridge. Im Rekordtempo legte er eine wissenschaftliche Karriere hin und wurde eine Art Popstar der Wissenschaft. Hawking spielte sich selbst bei einem Auftritt in einer Folge von „Raumschiff Enterprise“ und wirkte in der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ mit. Bei der Serie tauchte der Wissenschaftler als gelbes Zeichentrick-Männchen gleich mehrfach auf. Der Autor Al Jean schrieb für Hawking: „Einen Sinn für Humor so weit wie das Universum.“

Trotz seiner Karriere kam auch das Privatleben nicht zu kurz: 30 Jahre lang war er mit seiner Jugendliebe Jane verheiratet, mit ihr hatte er zwei Söhne und eine Tochter. Nach der Scheidung brachte sie Ende der 90er Jahre ein Buch heraus, in dem sie ihn als Haustyrannen beschrieb, den sie gelegentlich daran erinnern musste, dass er nicht Gott sei. 1995 heiratete er seine ehemalige Pflegerin. Die Ehe hielt bis 2006. In einem Interview mit der Zeitschrift „New Scientist“ sagte er auf die Frage, worüber er jeden Tag am meisten nachdenke: „Frauen. Sie sind ein komplettes Rätsel.“

In seiner Autobiografie kam er zu dem Schluss, dass er trotz seiner Krankheit ein gutes Leben gehabt habe. „Ich war zweimal verheiratet und habe drei wundervolle, großartige Kinder.“ Als Forscher sei er sehr erfolgreich gewesen. Dass er den Nobelpreis – für den es experimenteller Nachweise bedarf – nicht bekam, fand Hawking zwar schade. Wichtiger war ihm aber der Fundamental Physics Prize – und den hatte er längst eingeheimst. Sein ungewöhnliches Leben wurde verfilmt: Der Brite Eddie Redmayne verkörperte das Genie in dem Film „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ – und bekam dafür 2015 einen Oscar.

In seinen letzten Jahren wurde Hawking immer mehr zum Mahner: Er warnte die Menschheit vor einem selbst verschuldeten Untergang, etwa durch die Erderwärmung oder künstliche Viren. Auch Maschinen traute er nicht – sie könnten eines Tages klüger werden als ihre Schöpfer. Hawking entwickelte Ideen für eine Übersiedlung der Menschheit auf andere Himmelskörper. „Früher oder später müssen wir zu den Sternen schauen.“ Gemeinsam mit dem russischen Milliardär Jurij Milner wollte er eine Armee winziger Raumfähren auf eine 20-jährige Reise schicken, um das Sternsystem Alpha Centauri auszukundschaften.

An seinem Todestag ging eine letzte Botschaft des Star-Physikers um die Welt. „Es war eine großartige Zeit, um am Leben zu sein“, sagt Hawking in einem emotionalen Video, das die Universität Cambridge am Mittwoch ins Internet stellte. „Unser Bild des Universums hat sich in den letzten 50 Jahren umfassend verändert und ich bin glücklich, wenn ich einen kleinen Beitrag leisten konnte.“

In aller Welt rühmten Kollegen, Freunde, Politiker und Weggefährten die Lebensleistung des fast zeitlebens schwerkranken Wissenschaftlers: „Er war ein großer Wissenschaftler und ein außergewöhnlicher Mann, dessen Arbeit und Vermächtnis noch viele Jahre weiterleben werden“, erklärten Hawkings Kinder.

Dr. Bruce Allen, Physikprofessor in Hannover, trauerte um seinen Doktorvater. „Stephen war ein interessanter und wunderbarer Mensch“, sagte er. „Er war selten schlecht gelaunt. Er war ein starker Mensch, der das Beste aus allem machte und stets das Positive sah.“ Hawkings wissenschaftlicher Nachlass sei legendär, so Allen.

Die renommierte Universität Cambridge, an der Hawking jahrzehntelang forschte, bezeichnete Hawking als „eine Inspiration für Millionen“. Peter Altmaier, Wirtschaftsminister in der neuen Großen Koalition, twitterte: „Stephen Hawking ist nicht gestorben, sondern nur in ein Paralleluniversum entflohen.“

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