Inhaberin mit 31 Jahren

„Es gibt in Apotheken keinen Alltagsmodus“

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Berlin -

Eigentlich hatte Sophia Hausen nicht vor, sich selbständig zu machen. „Ich bin da so reingeschlittert“, erklärt sie. Seit März 2021 leitet die heute 35-Jährige mit der Elch-Apotheke in Hilchenbach (NRW) einen echten Landbetrieb – und richtet ihre Apotheke gen Zukunft aus, um den schwierigen Gegebenheiten inklusive Versandhandel zu trotzen. Dafür schließt sie auch telepharmazeutische Angebote nicht aus.

„Die ehemaligen Inhaber betrieben die Apotheke schon weit über das Rentenalter hinaus und haben, wie überall auf dem Land, händeringend nach einem Nachfolger gesucht“, weiß die Apothekerin. Durch Zufall erfuhr Hausen davon und übernahm den Betrieb schließlich in der Corona-Pandemie; da war sie 31 Jahre alt.

Eine Apotheke zu leiten, der Gedanken war neu für die junge Apothekerin: Erst durch die Nachfolgersuche für die Elch-Apotheke begann sie, über eine Selbstständigkeit nachzudenken. Für die Entscheidung hat sie sich auch einen externen Berater hinzugezogen, der ihr auch heute noch von Zeit zu Zeit zur Seite steht.

Keine Woche ohne Hiobsbotschaft

Zwar hat sich die pandemiebedingte Situation mittlerweile gelegt. „Ich habe mit der Zeit dennoch festgestellt: Es gibt in Apotheken keinen Alltagsmodus. Es gibt keine Woche ohne Hiobsbotschaft.“ Das erschwere den Einstieg in die Selbstständigkeit durch fehlende Planbarkeit – und besonders beruhigend sei die Dauerbelastung durch etwaige Änderungen oder neue Retaxrisiken auch nicht.

Insbesondere die Belieferung von Hochpreisern nehme stetig zu. „Wir müssen ständig vorfinanzieren, weil wir unsere Kund:innen natürlich nicht wegschicken wollen“, betont die Inhaberin. Auch hier fehle Planungssicherheit. Dennoch stellt Hausen ausdrücklich klar: „Ich liebe meinen Beruf und habe mich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden.“ Zwar bereue sie die Übernahme der Elch-Apotheke nicht; es werde jungen Inhaber:innen allerdings auch nicht leicht gemacht, eine Entscheidung für den eigenen Betrieb zu treffen: „Es fühlt sich täglich so an, als würde man den nächsten Stein in den Weg gelegt bekommen.“

Dabei erlebt sie jeden Tag, dass Vor-Ort-Apotheken händeringend gebraucht werden. „Wir werden täglich um Hilfe ersucht, stehen unserer Kundschaft mit Rat und Tat zur Seite. Wir machen das sehr gerne, nur: Diese hohe Beratungskompetenz zu erhalten, das wird uns sehr schwer gemacht.“ Als Beispiel führt die Inhaberin den neuen Tarifvertrag an: „Im Grunde genommen ist der natürlich super, nur: Ich muss das auch bezahlen können. Wo ist die Vergütungserhöhung für den Selbstständigen? Die Rechnung geht nicht auf.“

Mit der Zeit gehen

Botenlieferung im Radius von 20 Kilometern, einen Abholautomaten, einen eigenen Onlineshop – all das bietet Hausen in ihrer Landapotheke bereits an. „Wir wollen uns breiter aufstellen und mit der Zeit gehen, das ist gar keine Frage.“ Für eine dezidierte Planung hat die Inhaberin keine Zeit, der Grund: Ihr fehlt eine Approbierte. „Gefühlt bin ich 24/7 in der Apotheke.“ Nur an zwei Vormittagen in der Woche „hält jemand die Stellung für mich“. Allein die Pflege des Webshops und die Planung in weitere Modernisierungsmaßnahmen kosten Zeit; und die hat Hausen kaum.

Aktuell arbeitet die Inhaberin an der Umsetzung von Superchat: Damit möchte sie insbesondere junge Menschen ansprechen. Über eine Kurznachricht kann zukünftig dann unkompliziert eine Bestellung an die Apotheke gesendet werden. „Das kennt man ja auch von sich selbst: Es muss schnell, zuverlässig und unkompliziert gehen.“

Zukünftig kann sich Hausen auch telepharmazeutische Angebote vorstellen „zum Beispiel für jemanden, der immobil ist und eine persönliche Beratung braucht und möchte“. Der Apotheke ohne Apotheker, wie sie sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorstellt, erteilt sie eine klare Absage. „Wenn ich mir vorstelle, ich soll eine zweite Apotheke als Telepharmazeut betreuen, dann ist das nicht nur unpraktikabel, sondern verantwortungstechnisch der Wahnsinn.“

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