Pharmaziestudium

Ersties: „So aufregend, dass ich kaum Hunger habe“

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Berlin -

Das neue Studienjahr hat angefangen. Für rund eine halbe Million junge und weniger junge Menschen bedeutet das den Start in einen neuen, meist aufregenden Lebensabschnitt. Gut 1800 von ihnen studieren an 22 verschiedenen Hochschulen Pharmazie. APOTHEKE ADHOC begleitet die nächste Apothekergeneration bei ihren ersten Schritten zwischen Hörsaal, Wohnheim und Labor.

Wie lange braucht man, um ein neues Leben zu planen? Paul Wohlgemuth hatte sieben Tage. Hals über Kopf musste er sich ins Pharmaziestudium stürzen. „Am 8. Oktober habe ich auf den allerletzten Drücker und entgegen aller Erwartungen eine Zusage für die Friedrich-Schiller-Universität Jena bekommen“, erinnert er sich. „Am 15. Oktober – dem ersten Tag des Semesters – bin ich umgezogen. Ich bin morgens mit meinen sieben Sachen in die Uni und habe mir die erste Vorlesung angehört, danach erst ging es zur Schlüsselübergabe für das Wohnheim und schließlich zu den wichtigsten Behördengängen.“

Der Begriff Glück reicht dabei kaum aus, den Verlauf der Dinge zu beschreiben. „Ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet, noch einen Studienplatz zu bekommen, auch weil mir von der Uni gesagt wurde, dass es selbst im Nachrückverfahren wenig aussichtsreich sei. Ich hatte schon einen Platz im Wohnheim, habe die Anmeldung dann aber Ende September zurückgezogen.“ Dadurch standen die Chancen, noch eine Wohnung zu bekommen, eigentlich miserabel. Denn in Jena ist die Lage auf dem Mietmarkt mindestens genauso angespannt wie in Metropolen à la Berlin, Hamburg oder München. Buchstäblich in letzter Sekunde rettete ihn die Kulanz des Studentenwerks: „Ich wurde spontan vorgezogen, weil die auch eingesehen haben, dass das sonst nicht mehr zu schaffen ist bei dem Chaos“, erinnert er sich.

Im Eiltempo zog er dann von zu Hause aus und brach seine Ausbildung ab. Denn er hatte gerade das zweite Jahr der PTA-Ausbildung begonnen. Eigentlich war geplant, die erst abzuschließen, „aber die Ausbildung war nicht sehr anspruchsvoll“, sagt er. „Ich hätte es als Zeitverschwendung empfunden, sie zu Ende zu machen.“ Gegenüber seiner PTA-Schule habe er allerdings auch von Anfang an mit offenen Karten gespielt: „Ich habe da niemanden im Dunkeln gelassen.“

Aufregend sei die erste Woche gewesen, „so aufregend, dass ich kaum Hunger hatte“, sagt er und muss selbst schmunzeln. „Insbesondere hatte ich Angst, bei all dem, was in der neuen Umgebung noch zu erledigen war, ein Seminar zu verpassen – denn wenn man einmal unentschuldigt fehlt, dann ist man gleich für die Prüfung nicht zugelassen.“ Bisher empfindet er den neuen Lebensabschnitt trotz des Drucks aber vor allem als spannend: „Es ist wirklich Abenteuerlust. Bisher habe ich ja auch während der Ausbildung bei meinem Eltern in einem Dorf bei Chemnitz gewohnt“, erklärt er. „Ich wollte endlich in einer Großstadt leben.“

Neue Stadt, neue Wohnung, neue Freunde, neuer Alltag – alles neu. Oder auch nicht? Während es manch einen nach dem Abitur nicht weit genug weg vom elterlichen Herd führen kann, legen andere Studenten mehr Wert auf die Nähe zu Vertrautem. So wie Anne Brechlin. Wenn die 19-Jährige nahe ihrer neuen Wohnung vom Greifswalder Hafen auf das Meer schaut, sieht sie die Weite, fern von zu Hause ist sie dennoch nicht.

Denn die frisch gebackene Pharmaziestudentin ist in einem Dorf 20 Minuten entfernt von hier aufgewachsen, in die Ferne hat es sie nie wirklich gezogen, wie sie berichtet. „Ich bin quasi zu Hause geblieben, weil ich schon wusste, dass Greifswald eine schöne Stadt ist und ich in der Nähe meiner Eltern bleiben wollte“, sagt sie. Alle zwei bis drei Wochen ist sie bei ihnen. Der Trennungsschmerz war dennoch groß, „vor allem für meine Mama war es schlimm, als ich ausgezogen bin“, erinnert sie sich. Der Platz am Esstisch bleibt plötzlich leer.

Für Sebastian Reuter wäre das nichts gewesen. „Ich hatte immer den Wunsch, mal ein Stückchen weg von der Heimat zu kommen, neue Orte und neue Menschen kennenzulernen“, sagt der 23-Jährige. Ihn hat es von Oldenburg nach Kiel verschlagen – auch keine Weltreise, aber immerhin eine Tour von drei bis vier Stunden. Das mache es ihm auch „ein wenig leichter“, den Neustart zu schaffen. Die Stadt mit der nördlichsten deutschen Uni, an der man Pharmazie studieren kann, war für ihn ein Sprung ins kalte Wasser. „Kiel war mir kaum bekannt. Bevor die Studienentscheidung gefallen ist, war ich noch nie hier“, sagt er.

Wie Paul Wohlgemuth ist auch er nicht direkt von der Schulbank an die Uni, sondern hat einen Umweg genommen: drei Jahre Ausbildung zum Krankenpfleger. Dabei habe er gemerkt, dass ihm die Arbeit mit kranken Menschen gut liegt, die 15 Wartesemester für Medizin waren ihm aber schlicht zu lang. „Ich dachte dann, Pharmazie ist ein guter Mittelweg zwischen Medizin und Krankenpflege. Man ist noch nah an den Menschen dran, hat aber aber auch gute Karrierechancen.“

Die Ausbildung habe ihm mit Blick auf den Studienbeginn enorm geholfen, sagt er. „Wenn ich mir vorstelle, ich wäre direkt nach dem Abi an die Uni, dann wäre mir das viel schwerer gefallen.“ Manchen Studenten würde es nicht schaden, ist er der Meinung, etwas strukturierter und disziplinierter zu sein. „Im Verhalten merkt man da schon einen Unterschied, manche müssen sich erst noch orientieren, müssen sich zum Beispiel noch mit Situationen wie der An- und Ummeldung oder der Tagesstruktur arrangieren, die ich schon gewohnt bin.“ Ganz so negativ will er das dann aber doch nicht stehen lassen. „Ich würde aber auf gar keinen Fall sagen, das wäre ein alberner Haufen, der noch das Leben lernen muss!“, stellt er vorsichtshalber richtig.

Umgekehrt bringe die Ausbildung aber auch Nachteile mit sich, vor allem weil er schon seit vier Jahren nicht mehr die Schulbank gedrückt hat. „Ich muss viel aufholen und habe im Vergleich zu manchen Kommilitonen größere Wissenslücken“, räumt er ein. Allerdings sind das keine Probleme, die man mit harter Arbeit und gegenseitiger Hilfe nicht lösen könnte. Die Solidarität untereinander gefällt ihm, Konkurrenzdenken gebe es kaum. Bisher habe er keine schlechten Erfahrungen gemacht, das verwundere ihn: „Am meisten bin ich davon überrascht, dass bisher alles so glatt gelaufen ist.“

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