Elsdorf-Westermühlen in Schleswig-Holstein: 1620 Einwohner – und demnächst keine Apotheke mehr. Fast jeden Tag schließen in Deutschland Landapotheken. Sie sind zu klein, finden kein Personal mehr oder der Inhaber möchte in den wohlverdienten Ruhestand und hat lange erfolglos nach einem Nachfolger gesucht. Hier ist das Schicksal der Elsdorfer Apotheke.
„Ich hatte mit zehn Interessenten Kontakt“, erzählt Apotheker Bernd Saphir, „am Ende wollte die Apotheke nicht einmal jemand geschenkt haben.“ Ein Interessent forderte zum Beispiel die dauerhafte Herabsetzung der Miete um 300 Euro. „Außerdem bestand er darauf, dass nebenan ein Kaufmannsladen eröffnen sollte.“ Diesen Wunsch konnte der 69-Jährige ihm nicht erfüllen. „Im März hatte ich Kontakt mit einem Apotheker, der sich interessiert zeigte. Dann stellte sich heraus, dass er dauerhaft in Thailand lebte.“ Keine guten Voraussetzungen, um eine Apotheke in Elsdorf-Westermühlen zu führen, das im Herzen von Schleswig-Holstein liegt. Nach Rendsburg sind es rund zwölf Kilometer, von der Landeshauptstadt Kiel ist der kleine Ort rund 50 Kilometer entfernt.
Auch eine Mitarbeiterin zeigte Interesse, die Apotheke zu übernehmen, entschied sich dann aber kurzfristig, wieder in ihr Heimatdorf in der Nähe von Trier zurückzuziehen. Einigen Kandidaten waren die zu erwartenden Einnahmen nicht hoch genug. „Der Jahresumsatz liegt bei 1,1 Millionen Euro“, so Saphir, „das ist vielen zu wenig. Heutzutage ist so eine Apotheke nicht mehr verkäuflich. Deshalb schließen wir zu Ende November.“ Was am Ende bleibt: die Einrichtung, ein Feuerlöscher und viele Standgefäße. Saphir ist kein weinerlicher Mensch. Er schaut lieber in die Zukunft. Und bleibt optimistisch: „Wenn sich ein Apotheker findet, kann er jederzeit anfangen.“
Für ihn endet in ein paar Tagen ein langes, erfolgreiches Apothekerleben. Das weitergehen wird. „Die ersten Anfragen für Vertretungsapotheker sind schon da. Dabei habe ich keine Werbung gemacht“, sagt er. Zuerst will er aber ein bisschen Leben nachholen, vor allem mit seiner Frau verreisen. „Wir möchten mit dem Zug durch Südafrika fahren und lieben Flusskreuzfahrten. Außerdem haben wir ein schönes Haus mit Garten, das macht mir sehr viel Spaß.“ Wenn dann noch Zeit bleibt, wird er es vielleicht einem Kollegen gleichtun, der ebenfalls in Rente ist und sich seine Vertretungsstellen nur noch danach aussucht, wo in Deutschland man parallel oder anschließend schön Urlaub machen kann. Arbeit als Vergnügen, es scheint tatsächlich zu funktionieren.
Vor 30 Jahren eröffnete Saphir seine erste Apotheke in Hohn bei Rendsburg. Mit Arztpraxis nebenan, das Unternehmen lief sehr gut. „Ich musste sie 2016 leider schließen, weil ich Ärger mit dem Vermieter hatte. In den Jahren 1988 bis 2016 hatte ich zwei Apotheken in Hohn.“ Eine Apotheke in Kiel, die Saphir kaufte, stellte sich als Reinfall heraus, weil kurz nach Übernahme im Lebensmittelmarkt gegenüber plötzlich eine neue Apotheke eröffnete. Für beide reichte die Kundschaft nicht aus, Saphir machte Verluste und schloss die Offizin.
In Elsdorf, fünf Kilometer von Hohn entfernt, eröffnete er im Jahr 2008 eine Apotheke mit drei Arztpraxen nebenan. Und überlebte trotz schlechter Nachrichten: „Schon bei der Einweihung war der Hauptverordner weg, er ist einen Ort weiter Richtung Rendsburg gezogen. Meine Kunden sind dem Arzt gefolgt. Für meine Apotheke reichte es nur mit Müh und Not.“ Langsam baute er sich seinen Kundenstamm auf und führte die Apotheke zum Erfolg. Ursprünglich wollte Saphir die Elsdorfer Apotheke, die letzte in seinem Portfolio, erst im nächsten Jahr schließen. „Aber die Situation war mir zu unsicher und mein Personal hat sich schon nach neuen Jobs umgesehen. Ich habe immer gut bezahlt, 18 Prozent über Tarif.“ Also besser die Notbremse ziehen. „Ich habe ein Großhandel-Arrangement getroffen, sie nehmen fast alles zum EK zurück.“
Des einen Leid, des andern Freud‘: „Wir haben vieles von unserer Einrichtung und Geräte an Theodor-Litt-Schule in Neumünster verschenkt.“ Das wird Saphir vermissen: „Das Gefühl, Erfahrung weiterzugeben und die Kunden, denn viele sind sehr nett. In meinem ersten Beruf war ich Chemiker und sehr schüchtern und zurückhaltend.“ In der Apotheke hat er Kommunikation gelernt – und zu schätzen gelernt.
Das wird er nicht vermissen: „Die ständig wachsende Bürokratie. Und der Umstand, dass ich sogar für eine längst geschlossene Apotheke eine Retaxation über 6000 Euro erhalten habe, weil die Arztunterschrift fehlte. Die haben wir nachgereicht.“ Als Vertretungsapotheker an einem schönen Ort irgendwo im Land muss er sich künftig nicht mehr damit beschäftigen.
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