Erkältungsprophylaxe: Glaeske spottet im Spiegel APOTHEKE ADHOC, 30.01.2018 14:58 Uhr
„Nase läuft, Geschäft läuft!“ So titelt der „Spiegel“ seinen Angriff auf die Apotheken und die Pharmaindustrie. Professor Dr. Gerd Glaeske holt einmal mehr zum Rundumschlag gegen die Erkältungsmittel aus.
„Apotheker sind dankbar, wenn Produkte stark beworben werden und so Kunden in die Apotheken treiben. Das ist eine Spagat zwischen Ethik und Monetik“, wird Glaeske zitiert. Der Autor des Beitrags geht noch weiter: „Auf wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege legt man in deutschen Apotheken offenbar wenig wert.“
Ausschlaggebend für diese Meinung sind die Medizinprodukte Algovir (Hermes) und Viruprotect (Stada), die als erste Abwehr die Virenlast reduzieren und somit eine Erkältung abwehren sollen. Die Autoren stellen die Frage: „Sind die neuen Sprays also die Lösung für die Januar-Erkältung? Oder nur eine gewiefte Art, auf einem Milliardenmarkt Anteile abzugreifen?“
Glaeske hat dazu eine klare Meinung: „Die Studienlage ist dürftig.“ Die Lage sei womöglich ernst, denn „es gibt sogar theoretische Überlegungen, das Algovir mit seinem Inhaltsstoff bei längerer vorbeugender Anwendung schaden könnte“, wird der Pharmakologe zitiert. Eine Begründung liefert er nicht – was insbesondere den Hersteller Hermes sehr verwundert hat. Viruprotect wird als „Zauberflüssigkeit“ diffamiert.
Für die Bewertung der Sprays steht außerdem der Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser zur Seite. Auch der Herausgeber des Arznei-Telegramms kann die Produkte nicht empfehlen und rät ab. „Wir finden keine hinreichenden Belege für die Werbeaussagen“, so Becker-Brüser gegenüber dem „Spiegel“. Er hält die Werbung zudem für „irreführend“. „Wir sind der Auffassung, dass für unser Medizinprodukt Viruprotect ausreichend viele wissenschaftlich valide Nachweise vorliegen, die den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung für ein Produkt dieser Kategorie, nämlich ein Medizinprodukt der Klasse 1, entsprechen und die von uns getätigten Aussagen zur Wirkweise des Produkts bestätigen“, bezieht ein Sprecher der Stada Stellung. Die Studien zu Algovir könnten laut Becker-Brüser keinen Wirksamkeitsbeweis liefern.
Zu den Bestsellern gehören Grippemittel wie Grippostad (Stada), Aspirin complex (Bayer) und Wick Medinait (P&G). Glaeske kommt nicht drumherum – er empfehle die Produkte nicht. Paracetamol oder Ibuprofen würden die Schmerzen gezielter und schonender behandeln. Auch Becker-Brüser ließ in früheren Fernsehbeiträgen kein gutes Haar an den Produkten, bezeichnet sie als „Schrotschusstherapie“ und beschränkte sich in seiner Empfehlung auf Monopräparate von Schmerzmitteln und abschwellende Nasentropfen.
Viruprotect ist ein Rachen- und Mundspray mit Glycerin und Trypsin, das sich wie ein Schutzfilm über die Schleimhäute legen soll. Glycerin soll bedingt durch seine hohe osmotische Aktivität lokal Wasser und die darin befindlichen Viren binden und einkapseln. So sollen sie in ihrer Verbreitung gehindert werden. Im Zusammenspiel mit Trypsin werden die Erreger im Rachenraum deaktiviert, da die Iso-Enzyme der Aminosäure wichtige Viruseiweiße zerstören sollen. „So kann Viruprotect helfen, die Virenanzahl deutlich zu reduzieren und ein Ansteckungs-Risiko mit Erkältungsviren signifikant zu minimieren“, verspricht Stada.
Auch Algovir soll präventiv gegen eine angehende Erkältung wirken und die Virenlast reduzieren. Die enthaltene Carragelose wird aus Rotalgen gewonnen. Bei Anwendung in der Nase soll laut Hermes eine physische Barriere aufgebaut werden, sodass Erkältungsviren nicht in die Nasenschleimhaut eindringen und sich dort vermehren können.