Engpass-Aktion artet aus: „Es gab kein anderes Thema mehr“ Katharina Brand, 14.10.2024 15:08 Uhr
Wer in den vergangenen Tagen die Rats-Apotheke im niedersächsischen Ebstorf besucht hat, kam nicht daran vorbei – einem 7,5-Meter-langem Bodentransparent, das dass Team um Inhaberin Eva Heitmann-Leong vom Eingang bis zum HV angebracht hat. Das schlug sich derart auf den Apothekenalltag nieder, dass es mittlerweile wieder entfernt werden musste. Doch: Das Team will weiter auf die Missstände aufmerksam machen.
„Wie können wir die Engpass-Problematik so transparent und sichtbar machen, dass die Menschen es auch begreifen?“ – Das war die Ausgangsfrage, mit der sich das Team der Rats-Apotheke beschäftigt hat. Geredet werde „schon ewig“ über die anhaltenden Lieferengpässe, „aber wenn es den Kunden nicht selbst betrifft, dann ist es auch schnell wieder vergessen.“
In der Vergangenheit hatte sich Heitmann-Leong, die sich in der Freien Apothekerschaft (FA) engagiert, bereits an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gewendet. Die FA hatte vor geraumer Zeit appelliert, Defektlisten an das BMG und Abteilungsleiter Thomas Müller zu senden. „Auch infolge dessen ist das Plakat entstanden.“ Denn: Zwar erhielt sie eine Antwortmail vom Ministerium, der O-Ton sei aber ernüchternd gewesen: Es sei alles gar nicht so schlimm und auch im Ausland seien viele Arzneimittel nicht lieferbar. Immerhin hat mittlerweile Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Engpasssituation anerkannt, sagt die Inhaberin. Aber: „Es wird garantiert im nächsten Frühjahr und Sommer auch noch nicht gut sein.“
Vom Eingang bis zum HV
Deshalb sei es wichtig, die Situation für die gesamte Gesellschaft transparent zu machen. Im Zuge dessen entstand das Bodentransparent: „Und das ist genau die Distanz, die es von der Eingangstür bis zum HV braucht. Das passte wirklich genau“, berichtet die Inhaberin. Auf den Appell „Nicht mehr alle Medikamente im Schrank?“ folgen knapp 150 Arzneimittel von A bis Z, die die Rats-Apotheke aufgrund der Engpässe derzeit nicht auf Lager hat: „Und jeden Tag kommt was hinzu.“
Nehme man weitere Arzneimittel, die von der Kundschaft angefragt werden und nicht lieferbar sind, dazu, könnte die Liste noch ungleich länger sein, weiß die Inhaberin. Durch das Plakat sei die Menge an fehlenden Arzneimitteln nicht länger nur eine Zahl für die Kundinnen und Kunden, sondern es sei erkennbar, welche Ausmaße die Lieferengpässe mittlerweile angenommen haben, findet Heitmann-Leong.
Zwar habe die Aktion der ein oder anderen Person Angst gemacht, aber das könne man kommunizieren. „Besser, die Menschen sind vorbereitet und wir können uns rechtzeitig mit ihnen gemeinsam kümmern, als dass sie ohne Arzneimittel dastehen. Die Kundschaft muss sensibilisiert sein, damit wir gemeinsam das beste aus der Situation herausholen können“, so die Haltung der Apothekerin.
Aktion artete aus
Mittlerweile hat das Team das 7,5-Meter-lange Bodentransparent wieder entfernen müssen. „Die Aktion ist irgendwann ausgeartet. Im Prinzip haben wir nur noch darüber mit den Kunden gesprochen, es gab kein anderes Thema mehr.“ Denn: Jeder sei besorgt darüber, ob sein Präparat auch von einem Engpass betroffen sein könnte.
Zum Thema habe die Apotheke auch viele Anrufe erhalten. „Mittlerweile ist es ja so, dass wir auch Verfügbarkeitsanfragen von weiter weg bekommen." Beispielsweise habe jemand aus Nordrhein-Westfalen ein ADHS-Präparat für sein Kind angefragt. Der Vater hatte via Internet sämtliche Apotheken abtelefoniert. „Wir waren dann schließlich diejenigen, die das Arzneimittel noch vorrätig hatten. Das ist im negativen Sinne beeindruckend", findet die Inhaberin.
Dennoch soll das Bodentransparent nicht in Vergessenheit geraten. „Der Plan ist, es zerschnitten ins Schaufenster zu kleben um die Problematik auch weiterhin sichtbar zu machen, es aber nicht jedem wortwörtlich vor die Füße zu werfen.“