Die Lieferengpässe belasten den Apothekenalltag massiv, noch gravierender ist die Situation im Notdienst. Hier stehen Eltern mit ihren fiebrigen Kindern vor der Tür und können nicht versorgt werden. Apotheker:innen kommen an den Rand der Verzweiflung. Auch Jana Nique aus Brandenburg weiß bald nicht mehr weiter.
Die Neue Apotheke in Wittenberge hat alle 13 Tage Notdienst. Ihr letzter Samstagsdienst wird Nique wohl noch länger in Erinnerung bleiben. „Es war eine Katastrophe!“, so die Inhaberin. „Ich hatte quasi eine Standleitung zum Bereitschaftsarzt, der mich irgendwann fragte, was ich denn nun überhaupt noch zur Verfügung habe.“ Diesen Mehraufwand würde niemand bezahlen. Meistens konnte Nique für die Patient:innen so noch eine Alternative finden, jedoch konnte sie an diesem Tag nicht jeden Notfall versorgen. Fiebersäfte und Antibiotika waren irgendwann alle. „In so einem Fall muss ich die Leute in die nächste diensthabende Apotheke schicken. Die ist dann 25 Kilometer und weiter weg, je nachdem, wer noch was vorrätig hat.“
Nique berichtet weiter, nur noch wütend zu sein und das Gefühl der Machtlosigkeit zu haben. Wenn keine Ware zur Verfügung stehe – wozu dann der Notdienst? Für die Schicht zu Weihnachten würde sie sich am liebsten abmelden – auf die Notdienstpauschale könne sie gerne verzichten, zumal ja ohnehin Einnahmen aus der Notdienstgebühr fehlten, wenn kein Abverkauf stattfinde. Dann stehe man quasi umsonst im Notdienst. Aber schließlich wolle sie ja ihrem Versorgungsauftrag nachkommen.
Momentan kann die Apothekerin pro Haushalt mit Kindern generell nur eine Flasche Fiebersaft abgeben, um überhaupt noch eine halbwegs gerechte Verteilung zu gewährleisten und Hortungen zu vermeiden. Nicht jeder Kunde habe dafür Verständnis. „Meine Mitarbeiter gehen auf dem Zahnfleisch. Wir sind alle mental geschwächt. Das geht nicht spurlos an einem vorüber.“
Ganz ähnliche Erfahrungen macht Daniela Hänel aus der Linda-Apotheke in der Nordvorstadt in Zwickau. Sie hatte am Montag Notdienst – es sei „bescheiden“ gewesen, wie sie sagt. Die ganze Nacht über sei viel los gewesen, sie habe kaum geschlafen. „Es spricht sich halt herum, wer noch was hat. Dann kommen die Verwandten und Bekannten auch noch vorbei oder rufen an, um sich Restbestände zu sichern.“
Um 5 Uhr morgens habe sie einem Anrufer dann erklärt, dass sie Fiebersäfte nur noch auf Rezept abgeben könne. Eine Lösung sei das nicht – im Gegenteil: „Die Praxen sind völlig überrannt und fordern die Patienten auf, nur noch in dringenden Fällen vorbeizukommen. Abgesehen davon, dass ohnehin niemand vier Stunden im Wartezimmer sitzen will, muss ich nun auch noch die Leute hinschicken, weil ich sonst nicht helfen kann.“
Umso schlimmer findet sie, dass Ware bei den Versandapotheken verfügbar ist, während sie bei der Akutversorgung passen muss. „Diese Rosinenpicker machen nichts, um die Versorgung zu sichern, verkaufen dann aber drei Packungen Ibuflam. Und ich habe im Notdienst dann nichts da.“
Und dann ärgert sie sich noch über Medienberichte, in denen die Engpässe als hausgemachtes Problem dargestellt werden, an dem Apotheken und Großhandel nicht unschuldig sind. „Wir holen wieder einmal die Kohlen aus dem Feuer – und zum Dank bekommen wir einen Tritt in den Hintern.“
APOTHEKE ADHOC Debatte