Lebenshilfe

Einhorn-Pups und Schoko-Gehirn Silvia Meixner, 06.05.2017 15:54 Uhr

Berlin - 

Als eine Freundin von Jutta Reckschmidt Liebeskummer hatte, bastelte sie ihr zum Trost ein Schächtelchen mit kleinen, rosafarbenen Schokolinsen. Dazu steckte sie einen kleinen Beipackzettel mit tröstenden Worten. Plötzlich wollten alle Freundinnen, auch die ohne Liebeskummer, so etwas haben. Heute offeriert das Unternehmen „Liebeskummer“ erfolgreich Trost und Aufmunterung für alle Lebenslagen.

Heimweh, Herzklopfen, Kaufrausch – Jutta Reckschmidt hätte da etwas. Es gibt Kopfhochpillen, Morgenmuffelpillen, Fernwehdragées, Versöhnungsdrops. Warum Einhörner seit Jahren im Trend liegen, weiß zwar niemand so ganz genau, aber bei Einhorn-Fell aus Zuckerwatte kann man darüber nachdenken. Einhorn-Popel im Glas können Beschenkte scheußlich finden – oder sie in den Mund stecken, es sind nämlich harmlose, kleine Marshmallows. Wer Popel nicht mag, steht vielleicht auf Einhorn-Pups, lilafarbene Marshmallows.

Reckschmidt gründete ihr Unternehmen „liebeskummerpillen.de“ im Jahr 2003, damals hatte die Berlinerin mit ihrer Geschäftsidee am „Neuköllner Gründerpreis“ teilgenommen und 2000 Euro gewonnen. „Das war viel Geld für mich, ich habe damit neue Muster entwickelt und an eine Filialkette geschickt. Ich habe keine große Reaktion erwartet, aber nach ein paar Tagen kam ein Bestellfax.“

Vom Wohnzimmer aus bearbeitete die Forstwissenschaftlerin die erste Bestellung, meldete ein Gewerbe an und startete ihr Unternehmen. Heute hat sie 150 verschiedene Produkte im Angebot und beliefert nur Händler. Ihre süße „Apotheken“-Ware ist in Supermärkten und Geschenkeläden erhältlich, auch einige Apotheken zählen zu ihren Kunden.

Wer in seinem Umkreis Menschen kennt, denen er ein Gehirn schenken möchte – auch hier hat Reckschmidt das perfekte Geschenk im Angebot: das „Notfallhirn“ ist aus Schokolade und soll bei Prüfungen, Vorträgen, Entscheidungsfindungen und Arbeitsüberlastung helfen. Die Tatütata-Kugelbrause wird in einem kleinen Krankenwagen aus Karton geliefert. „Die kleinen Geschenkartikel haben einen Lebenszyklus von rund acht Jahren“, sagt sie. Danach wünschten sich die Kunden Neues. Bestimmte Artikel, zum Beispiel die „Fußballfieberpillen“ laufen gut, wenn eine Großveranstaltung stattfindet. Ein Klassiker ist die „Notfallschokolade“, Notfälle gibt es schließlich immer.

Im Trend liegen derzeit Sprays, zum Beispiel der Antimonsterspray (Duftrichtung Lavendel), der zuverlässig Monster aus Kinderzimmern vertreibt – so lange man daran glaubt. Auch das Antizickenspray läuft gut, es riecht ebenfalls nach Lavendel. Als Reckschmidts Sohn sechs Jahre alt war, inspirierte er seine Mutter zum Antitrödelspray: „Das war, als er in die Schule kam und früh aufstehen musste.“

Die Unternehmerin hat mittlerweile vier Mitarbeiter, sie entwickelt alle Produkte selbst, besucht Messen zur Inspiration und hat gelernt, dass Bestseller auch immer mit Glück verbunden sind. Manchmal ist das Produkt gut, die Zeit aber irgendwie nicht dafür geschaffen: „Vor kurzem habe ich süße Kekspillen entwickelt, das sind große Kekse in Form von Pillen in einer kleinen Pillendose. Leider sind sie bei den Kunden nicht angekommen.“

Dafür floriert der Einhorn-Pups. Und von den Liebeskummer-Pillen gibt es mittlerweile 15 Varianten. Auch das „Glück in kleinen Dosen“ (Sprüche in Gelatinekapseln) wird gerne gekauft. Das haben auch andere bemerkt, die die eine oder andere gute Idee der Berlinerin gern kopieren, Geld für teure Gerichtsprozesse hat sie nicht: „Es gibt leider viele Nachahmer, man kann sich nur damit trösten, dass man das Original ist. Ich sage mir dann immer: ‚Nur wer gut ist, wird nachgeahmt.“

2017 kommt der Anti-Age-Radiergummi gegen Falten und Augenringe auf den Markt. Das ist ausnahmsweise nichts Süßes, sondern „ein fetter Radiergummi“. Die Händler sind der Einhörner mittlerweile nämlich ein wenig überdrüssig. Reckschmidts Sohn, mittlerweile elf Jahre alt, entwickelte die süßen „Meilensteine“, mit denen man sich selbst anspornen und belohnen kann.

Auf einer süßen Fachmesse stand sie als Apothekerin verkleidet am Stand: „Die Besucher glaubten, dass wir vom Roten Kreuz seien und verlangten Aspirin.“ Sie bekamen ein Lächeln und Süßes. „Die Menschen freuen sich über unsere lustigen Produkte“, sagt Reckschmidt. Genau das möchte sie erreichen. Einmal bekam sie rührende Post: „Eine 70-jährige Dame schrieb mir, dass sie auch mal wieder Liebeskummer haben wolle.“ Der fehlte ihr nämlich noch – die Pillen dagegen hatte sie schon.