Apothekensterben in Herne

„Einen leeren Kuchen kann ich nicht verteilen“

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Berlin -

Investitionsstau, Fachkräftemangel, wenig Geld: Erst im letzten Dezember musste die Engel-Apotheke in Herne für immer schließen, nun folgt mit der Blauen Apotheke schon die nächste. Insgesamt gibt es damit nur noch 29 Apotheken, die die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt in Nordrhein-Westfalen versorgen. Mit dem Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) in seiner jetzigen Form könnte sich die Situation weiter verschärfen, meint Apothekerin Marlene Kissel-Lux. Sie betont, dass mehr finanzielle Unterstützung notwendig ist, um die Qualität der Versorgung aufrechtzuerhalten.

Marlene Kissel-Lux ist seit 2012 Apothekerin. Seit Oktober ist sie selbst Inhaberin zweier Apotheken in Herne. Seit Anfang des Jahres ist die junge Apothekerin zudem Vorsitzende der Bezirksgruppe im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). „Die Ortsgruppe Herne hatte lange keinen Vorsitzenden“, erzählt Kissel-Lux. Sie hält es für wichtig, sich ehrenamtlich zu engagieren. Die Situation in Herne sei kein Einzelfall, sondern stehe exemplarisch für viele Städte und Gemeinden in Deutschland. Und durch die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) könnte sich die Situation zukünftig weiter verschärfen, fürchtet sie.

Selbstständigkeit lohnt sich kaum noch

„Es lohnt sich mehr, als Angestellter zu arbeiten als selbstständiger Apotheker“, erklärt Kissel-Lux. Wegen der angespannten wirtschaftlichen Situation vieler Betriebe würden angestellte Apotheker oft unterm Strich besser bezahlt. Viele Inhaber würden aufgrund des fehlenden Personals außerdem durch lange Arbeitszeiten belastet, weiß die Inhaberin. Viele kleine Apotheken hätten zudem ältere Inhaber, die zwar noch nicht kurz vor der Rente stehen, aber trotzdem nicht mehr in dem Maße investieren, in dem es vielleicht nötig wäre. So bildet sich ein Investitionsstau, der die Übernahme des Betriebs durch einen Nachfolger unattraktiver mache. „Auch viele zugewanderte Apothekerinnen und Apotheker, die hier ihre Approbationen erhalten, machen sich nicht sofort selbstständig“, erklärt die Inhaberin.

Hoher Bürokratieaufwand

Hinzu käme der hohe Bürokratieaufwand, zum Beispiel beim Umgang mit Lieferengpässen. „Das pharmazeutische Know-how ist vorhanden, aber um den Patienten zu versorgen, brauche ich erst mal ein neues Rezept.“ Auch pharmazeutische Dienstleistungen würden sich wegen des hohen bürokratischen Aufwands finanziell oft kaum lohnen. Der hohe Verwaltungsaufwand drücke dabei auch auf die Motivation. „Der soziale Aspekt ist doch das, was den Beruf ausmachen sollte“, sagt Kissel-Lux.

Um die Apotheken zu unterstützen, braucht es vor allem mehr Geld, meint die Apothekerin. „Wir können die Versorgung in der Qualität nicht aufrechterhalten, wenn wir nicht mehr Geld bekommen“, betont Kissel-Lux. „Der Apotheker ist der einzige Akademiker im Gesundheitssystem, den man sehen kann, ohne einen Termin zu brauchen“, erklärt die Apothekerin. Das Konzept von Apotheken ohne Präsenzapotheker gefährde die Versorgung. Was bliebe, wäre eine abgespeckte Form der Apotheke mit vielen Leistungseinbußen, unter denen letztlich die Kunden zu leiden hätten.

Die strengen Regularien auch im Hinblick auf die Preise im Einkauf als auch im Verkauf findet Kissel-Lux eigentlich richtig. Dennoch müssten die steigenden Betriebskosten und die Inflation ausgeglichen werden, erklärt sie. Hinzu kämen steigende Personalkosten, um die ohnehin schon knappen Fachkräfte auch halten zu können. „Irgendwann bleibt eben nichts mehr übrig und einen leeren Kuchen kann ich nicht verteilen. Es muss mehr Geld ins System“, appelliert die Inhaberin.

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