AOK plant Apotheken-Pranger Silvia Meixner, 08.07.2017 08:03 Uhr
Die AOK lässt einen fiesen, aber effizienten alten Brauch wiederauferstehen: Zahlungsunwillige Apotheker werden künftig an den Pranger gestellt. Als Austragungsort ist Schwäbisch Hall im Gespräch, hier gibt es einen hübschen Pranger aus dem 16. Jahrhundert – und außerdem ist das nicht so weit weg von der Privatresidenz von Kassenkönig Dr. Christopher Hermann. Den Antrag, in Berlin vor dem Brandenburger Tor zahlungsunwillige Pharmazeuten dem Gespött der Bevölkerung auszusetzen, hat der Berliner Senat gestern empört zurückgewiesen.
„Wir sind die Stadt der Freiheit, wir beteiligen uns nicht an solchen Aktionen“, beschied ein Sprecher der Hauptstadt den AOK-Verantwortlichen. In der Chefetage der Kasse spricht man hinter vorgehaltener Hand von „Spießertum“ und „Berliner Weichei-Politik“.
Auf die Idee mit dem Pranger gekommen war die AOK, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) ein Bußgeld für Rabattbrecher erlaubt hatte. Metoprololbedrucker auch physisch zu bestrafen, schien in Stuttgart der konsequente nächste Schritt. Gut denkbar schließlich, dass die Richter in Kassel auch das noch durchgehen lassen.
Aus gut informierten Kreisen verlautet, dass es zwischen AOK-Mitarbeitern und Verbandschef Fritz Becker deswegen schon Schreiduelle gegeben hat. Das kann jeder Apothekenmitarbeiter nachvollziehen, der am Telefon von unverschämten Kunden genervt wird und einfach nur noch eines möchte: Auflegen.
Weil es mit dem Provozieren so gut läuft, legen die AOKen gleich noch ein Schäuflein drauf. Mit verstörenden politischen Forderungen starten sie zum Frontalangriff auf das Apothekensystem, wollen Fremd- und Mehrbesitzverbot abschaffen und das neue Verbot der Zyto- und Impfstoffausschreibungen gleich dazu. Zudem soll das Apothekenhonorar auf den Prüfstand. Oder an den Pranger? AOK-Chef Martin Litsch spricht von „mittelalterlichen“ Zuständen [sic!].
Verglichen damit sind die übrigen Probleme der Woche Pipifax. Morgens fröhlich ins Büro, mittags auf der Straße? Die Ex-Stada-Vorstände haben es erlebt. Matthias Wiedenfels und Helmut Kraft nahmen mit sofortiger Wirkung ihren Hut. Finanziell muss man sich in dieser Preisklasse um die Menschen keine Sorgen machen, deshalb winken wir kurz und wünschen einen schönen Sommer. Stada segelt jetzt jedenfalls weitgehend führungslos auf eine Übernahme zu.
5000 Hamburger im Stadtteil Veddel haben keinen Apotheker. Wann werden die Kunden endlich lernen, sich Pillen und Salben selbst anzurühren? Ist doch wirklich nicht so schwierig, wozu gibt‘s Online-Tutorials? Auch im Schwarzwald fehlt ein Doktor, Apothekerin und Menschen leiden darunter. Die KV rät den Kranken: Nehmt doch den Bus! Wir raten: Wachsen im Schwarzwald nicht heilende Kräuter? Vielleicht braucht man im Luftkurort Enzklösterle gar keinen Arzt. Wenn man weiß, wie man aus Heidelbeeren, Himbeeren, Schafgarbe und einer Messerspitze Fliegenpilz – ach, googeln Sie doch selbst, was man daraus pharmazeutisch Wertvolles gegen Arthrose oder die Folgen eines Autounfalls herstellen kann!
In Sachen Arzneimittel mausert sich bekanntlich ja auch die Bild-Zeitung neuerdings zur Institution. Das Boulevardblatt warnte vor illegalem Nasenspray mit Furanylfentanyl. Gemeinsam mit Professor Glaeske wurde außerdem geklärt, was alles zu den sechs „Super-Arzneien mit schweren Nebenwirkungen“ gehört. Im Klartext: „Bild stellt die wichtigsten Wundermittel auf den Prüfstand“.
Dass es nur sechs sein sollen, ist erstaunlich, wir fragen besser noch einmal nach. Aber halt! Nicht bei den PTA, viele fühlen sich angesichts der Arbeitsumstände sowieso schon als „Mülleimer der Nation“. Die meisten lieben ihren Job, leiden aber. Also bitte loben, nicht necken. Hat doch kürzlich eine wirklich tapfere PTA den „Pfusch-Apotheker“ aus Bottrop überführt.
Die Stadt Bottrop veröffentlichte gerade eine Liste mit der Aufzählung von 49 Wirkstoffen, die im Fall des Apothekers Peter S. zum Einsatz kamen. Er hatte damit mutmaßlich eine Unterdosierung in den Infusionen herbeigeführt, wie viele Menschen deshalb möglicherweise starben, ist derzeit völlig offen.
Morgenstund' hat Gold im Mund? Bestenfalls für die Täter, die nachher die erbeuteten Taler zählen können, allerdings nicht für die tapferen Mitarbeiter der Löwen-Apotheke in Grevenbroich, die gerade zum zweiten Mal innerhalb von sechs Jahren überfallen wurden. Da hilft dann auch der Löwe im Logo nichts.
Als Gegenmaßnahme zum geplanten AOK-Pranger wollen Apotheker künftig die Besten aus ihrer Mitte „anprangern“. So geht der „Positiv-Pranger“: Wer durch besonderen Einsatz für die Belange der Branche auffällt, wird online „angeprangert“.
Den Anfang macht Sylvia Ost aus Chemnitz. Im Alter von 56 Jahren investiert sie eine sechsstellige Summe in ihre Kastanien-Apotheke. Ohne die Gender-Keule herausholen zu wollen: Würde die Branche das bei einem 56-jährigen Mann auch überraschen? Der Positiv-Pranger wird übrigens von einem internationalen Weichspüler-Hersteller finanziell unterstützt.
Weitere Kandidaten für den Positiv-Pranger sind die Flora-Apotheke aus Herne, die derzeit tapfer umzieht und natürlich die CDU und CSU. Die Union will nämlich jetzt doch mit dem Rx-Versandverbot in den Wahlkampf ziehen und garantiert eine gute ärztliche Versorgung im ländlichen Raum. „Die Versorgung durch ein ortsnahes Apothekenangebot werden wir sichern, indem wir den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten.“
Auch die Noweda gehört zu den Positivbeispielen: Nachdem DocMorris sich nach dem Verbot des Terminals in Hüffenhardt öffentlich weinerlich beklagte, man habe auf eine „Rechtssprechung im Sinne der Einwohner“ gehofft, schlug die Genossenschaft nun via Zeitungsanzeige zurück. Die lieben Bürgerinnen und Bürger in Hüffenhardt sollten nicht alles glauben, was man ihnen erzählt. Jedenfalls sollten sie sich von DocMorris keinen Bären aufbinden lassen. Die Versorgung der Region sei problemlos durch die umliegenden Apotheken gewährleistet und machten Nacht- und Notdienst an Sonn- und Feiertagen. Schönes Wochenende!