Welche immensen Schäden ein Einbruch zur Folge haben kann, musste Pinar Toprak aus Berlin vergangene Woche feststellen. Das gewaltsame Eindringen in ihre Apotheke zum Stift in Berlin-Mariendorf verursachte einen Schaden in Höhe von mehr als 50.000 Euro. Das Fatale: Die Täter verwischten mittels Pulverlöscher ihre Spuren. „Die Apotheke war schneeweiß, überall war das ganz feine Pulver verteilt“, so Toprak.
Als die Apothekerin am Morgen des 8. August die Offizin aufschließen will, erfährt sie eine böse Überraschung: „Die Gittertür vom Hintereingang stand auf, und ich wusste sofort, hier stimmt was nicht.“ Als sie die Räume betrat, folgte der nächste Schock. „Die ganze Apotheke war schneeweiß. Alles war mit einem feinen weißen Pulver bedeckt, es brannte direkt in den Atemwegen“, so die Inhaberin. Sie realisierte erst später, welche Ursache der Feinstaub hatte: „Mir war erst gar nicht klar, dass die Täter mittels Pulverlöscher die Einbruchsspuren verwischt hatten.“
Doch Toprak bewahrt einen kühlen Kopf, auch dank ihrer Mitarbeiter:innen: „Im ersten Moment habe ich natürlich mit dem Gedanken gespielt, die Apotheke zumindest für einen Tag zu schließen. Wir versorgen aber neben unseren Kund:innen auch Heime, die Patienten und Patientinnen brauchen uns einfach“, so die Apothekerin. Mithilfe ihres Teams wird der Apothekenbetrieb also trotz des Einbruchs noch am selben Tag aufrechterhalten.
„Wir haben vier Kassen, eine davon steht etwas versteckter an der Seite. Die Einbrecher haben diese übersehen, sie war nach wie vor funktionstüchtig“, so Toprak. Auch das versprühte Pulver verschonte die Elektronik der Kasse: „Wir hatten Glück und konnten wenigstens mit dieser einen Kasse weiterarbeiten.“ Die Apotheke teilt Toprak kurzerhand ab und an alle Mitarbeiter:innen werden Masken zum Schutz der Atemwege verteilt. „Auch Kund:innen, die in die Offizin kamen, konnten so geschützt werden.“ Nachdem der erste Schock vorbei war, habe sich auch ein enormer Teamgeist entwickelt: „Meine Mitarbeiter:innen haben mich nicht allein gelassen, alle wollten helfen und mich unterstützen, dafür bin ich sehr dankbar“, so Toprak.
Sämtliche EDV und alle elektronischen Geräte müssen ausgetauscht werden: „Das feine Pulver kriecht förmlich in die Gerätschaften rein. Was noch nicht kaputt ist, wird demnächst den Geist aufgeben. Die Täter haben systematisch gesprüht, um alle Spuren zu beseitigen“, erläutert Toprak. Trotzdem bleibt sie positiv: „Ich bin einfach froh, dass keine Personen zu Schaden gekommen ist. Klar sind es enorme Kosten, die auf uns zukommen, aber alles Materielle ist ersetzbar. Wir sind ein tolles Team, wir schaffen das“, ist sich Toprak sicher.
Erst im Mai diesen Jahres hat Toprak die Apotheke zum Stift übernommen. „Ich habe mit der Übernahme soviel Papierkram gehabt und etliche Dinge erledigen müssen. Selbstverständlich habe ich mir Gedanken gemacht zur Einbruchsicherung. Das wäre mein nächstes Projekt gewesen, aber leider waren die Täter diesmal schneller.“
Den Pulverlöscher habe sie erstmal in die hinterste Ecke der Apotheke verbannt: „Wir müssen laut Apothekenbetriebsordnung einen Pulverlöscher in der Apotheke haben. Aber ich kann nur jedem Kollegen und jeder Kollegin raten, diesen nicht offensichtlich an die Wand zu hängen. Die Einbrecher haben ganz bewusst den Schaumlöscher ignoriert und stattdessen den Pulverlöscher eingesetzt“, so die Inhaberin.
Versicherungsexperte Michael Jeinsen bestätigt, dass der Einsatz von Pulverlöschern eine gängige Masche von Einbrechern ist: „Viele Täter nutzen zum Abschluss der Beutetour Pulver-Feuerlöscher, die im Labor jeder Apotheke vorhanden sein müssen, und verwischen so die Spuren“, berichtet er. „Dadurch kann schnell ein hoher Schaden entstehen. Das enthaltene Pulver ist derartig aggressiv, dass die Packungen der Medikamente nur noch zu entsorgen sind.“
Dass der Betrieb von Toprak aufrechterhalten werden konnte, verdankt sie auch der Unversehrtheit der Medikamentenschübe: „Die Täter waren vorrangig auf Bargeld und den BtM-Tresor aus. Die Arzneimttel im Generalalphabet waren allesamt nicht mit dem Pulver kontaminiert.“
Wer an der falschen Stelle spart, zahlt hinterher oft drauf – das gilt auch beim Brandschutz. Pulver-Feuerlöscher arbeiten mit sogenanntem ABC-Pulver. Das hat neben dem Preis den Vorteil, dass damit alle drei Brandklassen, also feste (A) und flüssige (B) Stoffe sowie Gasbrände (C), gelöscht werden können. Außerdem ist das Pulver lange haltbar und widerstandsfähig, Pulverlöscher können auch an Orten gelagert werden, wo Frostgefahr herrscht.
Das widerstandsfähige Pulver ist aber auch gleichzeitig der größte Nachteil. Dabei handelt es sich um feines, zermahlenes Monoammoniumphosphat und Ammoniumsulfat, welches das Feuer durch einen sogenannten „antikatalytischen Löscheffekt“ erstickt. Die mikrometergroßen Salzkristalle verteilen sich durch den Druck in Sekundenschnelle im gesamten Raum. Hinzu kommt die hygroskopische Wirkung, die vor allem Metalle schnell rosten lässt. Es zerfrisst förmlich die Elektronik von Computern. Und auch auf anderen Flächen bekomme man das Pulver nur sehr schwer wieder weg, so Jeinsen. Ware, die vom Pulver in Mitleidenschaft gezogen wurde, könne man nur noch entsorgen.
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