Standortsicherung

Ein Ärztehaus für die Tochter

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Berlin -

Vor einem Jahr haben der Arzt und Apotheker Dr. Wolfgang Ullrich und seine Tochter Julia die einzige Apotheke im badischen Murg übernommen. Nun plant der Apotheker, ein Ärztehaus in der Gemeinde zu bauen, um den Fortbestand der Apotheke zu sichern. Der erste Mieter: Das Hausärztliche Zentrum aus dem Nachbarort. Dort ist man über den baldigen Verlust von gleich vier Allgemeinmedizinern naturgemäß wenig begeistert.

Im Oktober 2016 öffnete die Apotheke in Murg erstmals als Schwarzwald-Apotheke. Offiziell führen Vater und Tochter die einzige Apotheke in der Gemeinde mit etwa 7000 Einwohnern gemeinsam als OHG. Parallel praktiziert Ullrich allerdings als Arzt in Bad Säckingen. Das Ärztehaus mit sechs Ärzten mit Schwerpunkt Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Onkologie, Gastroenterologie, Diabetologie, Kardiologie und naturheilkundliche Verfahren, wurde von ihm mit aufgebaut.

Das Vater-Tochter-Duo hat die Apotheke modernisiert. „Wir haben eine Sichtwahl aufgebaut, die gab es vorher nicht“, sagte Julia Ullrich vor einem Jahr. Darüber hinaus haben sie das Freiwahlsortiment ergänzt. „Wir wollen den Kunden mehr Auswahl bieten“, erklärte sie. Der Service wurde ebenfalls ausgebaut: Seit der Übernahme gibt es einen Botendienst.

Doch diese Maßnahmen waren aus Sicht der Inhaber nicht ausreichend, um mittel- und langfristig das Überleben der Apotheke zu sichern. Die Aussicht, dass die beiden Ärzte in Murg ihre Praxen altersbedingt aufgeben, stimmte ebenfalls nicht gerade optimistisch. „Sobald sie in Rente gehen, wird die Apotheke erledigt sein“, meint ihr Vater. „Man wird die Apotheke nur dann aufrechterhalten können, wenn Ärzte vor Ort sind, die Rezepte ausstellen.“

Zwar sei das bereits bei der Übernahme im vergangenen Jahr klar gewesen. Man wollte es aber dennoch versuchen. „Wir habe alle Verträge so geschlossen, dass wir jederzeit ohne einen wirtschaftlichen Schaden hätten schließen können“, sagte Ullrich. Seine Lösung: Möglichst viele Ärzte nach Murg locken. Und so musste ein Ärztehaus her. „Ich habe mich mit dem Bürgermeister über die Zukunft der Apotheke unterhalten und gemeinsam haben wir beschlossen, in Murg ein Ärztezentrum aufzubauen.“

Nun wurden die Pläne des Arztes und Pharmazeuten vom Gemeinderat einstimmig abgesegnet. In etwa zwei Jahren soll das Ärztehaus in bester Lage mitten im Ortszentrum eröffnet werden. Für das Projekt soll das alte Rathaus weichen, in dem derzeit die Bücherei, das Heimatmuseum und ein Versammlungssaal untergebracht sind. Der Neubau soll dicht neben das neue Rathaus gesetzt und durch einen verglasten Trakt mit diesem verbunden werden.

Im Erdgeschoss sollen neben der Apotheke auch Räume für Bürgerbüro und Bauamt entstehen. Im ersten und zweiten Obergeschoss sind jeweils 360 Quadratmeter und im Obergeschoss weiteres 200 Quadratmeter für Arztpraxen vorgesehen. Noch sind die Räume nicht vollständig vermietet. „Wir sind im Gespräch, wir kümmern uns darum“, so Ullrich. Das Ziel sei, möglichst viele Ärzte an einem Ort zu versammeln.

Einen Mieter konnte Ullrich aber bereits an Land ziehen: Das Hausärztliche Zentrum aus dem Nachbarort Laufenburg. Für die Gemeinschaftspraxis mit insgesamt drei Allgemeinmedizinern und einem Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie sind die Räume im ersten Obergeschoss vorgesehen. Die Sprechzimmer befinden sich entlang der Hauptstraße, es gibt einen zentralen Empfang, einen Wartebereich, zwei OP-Räume für kleinere Eingriffe sowie weitere Funktionsräume und einen Personalbereich.

„Eine Win-win-Situation für alle“, wird der Murger Bürgermeister Adrian Schmidle in einem Bericht des Südkuriers zitiert. Doch das stimmt nicht ganz. Als „enttäuschend und bedauerlich“ bezeichnete Laufenburgs Bürgermeister Ulrich Krieger den Wechsel des Hausärztlichen Zentrums nach Murg. Als er vor etwa zwei Jahren erfahren hat, dass die Gemeinschaftspraxis neue Räume suche, ist er sofort auf die Ärzte zugegangen, berichtet die Badische Zeitung. Seitdem seien den Medizinern immer wieder Vorschläge unterbreitet worden. Zeitweise seien laut Krieger sogar zwei Investoren zugleich daran interessiert gewesen, in Laufenburg ein Ärztehaus zu bauen. Keines der Projekte sei bei den Ärzte auf Interesse gestoßen.

Stattdessen hat man sich entschieden, nach Murg zu ziehen. „Für Murg hat gesprochen, dass wir dort zeitlich etwas schneller sind als in Laufenburg", sagte einer der Ärzte, Andreas Oeschger, der BZ. Zudem sei dort eine Apotheke mit im Haus und mit Ullrich ein „guter Investor“ mit am Start. Die Praxis in Laufenburg sei für ihn und seine Kollegen definitiv zu klein geworden. Und Ärzte ließen sich „nur bei optimalsten Voraussetzungen" gewinnen, so Oeschger, der hofft nach dem Umzug einen fünften Arzt für die Arztpraxis gewinnen zu können.

Laufenburg wird sich also in zwei Jahren auf die Suche nach neuen Hausärzten begeben müssen. Und das dürfte nicht einfach werden. In vielen Orten der Region wird händeringend nach Allgemein- und Fachärzten gesucht. Das Problem werde sich in den nächsten Jahren noch verschärfen, hieß es vor wenigen Tagen in einer kommunalen Gesundheitskonferenz in Bad Säckingen.

Laut dort vorgestellten Zahlen sollen innerhalb der nächsten sechs Jahre wohl 28 Hauspraxen abgegeben werden, doch nur für vier seien bereits Nachfolger gefunden. 43 Prozent der Hausärzte seien über 60 Jahre alt, nur ein Prozent sind unter 39 Jahre.

Arzt und Apotheker Ullrich ist dagegen überzeugt, dass der Umzug des Hausärztlichen Centers die Laufenburger nicht beeinträchtigen wird. Die Gemeinden würden so ein beieinander liegen, dass es „unerheblich ist, ob sich das Zentrum zwei Kilometer östlich oder westlich“ befinde. Im Übrigen obliege es den Ärzten einzuschätzen, ob ihre Patienten mobil genug seien. Das künftige Ärztehaus biete aber grundsätzlich sowohl den Ärzte als auch Patienten einige Vorteile. Die Mediziner hätten ein Umfeld, in dem sie expandieren könnten, Patienten dagegen können von den kurzen Wegen und ausgebauter Infrastruktur profitieren.

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