Ebola

Der Kampf gegen das Virus

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Berlin -

Zwischen saftigen Feldern und sattgrüner Vegetation des Regenwalds von Guinea brach vor einem Jahr das Unheil aus, das drei Länder Westafrikas an den Rand des Zusammenbruchs brachte und bald die ganze Welt in Atem hielt. In den Rundhütten der abgelegenen Siedlung Meliandou hatte noch nie jemand von Ebola gehört, doch im Dezember erkrankte hier der einjährige Emile, der zwei Tage später starb und als mutmaßlicher „Patient Null“ der verheerenden Epidemie identifiziert wurde. Binnen eines Monats verlor sein Vater Etienne Ouamouno sechs weitere Familienmitglieder, darunter seine vierjährige Tochter und seine im vierten Monat schwangere Frau.

Ouamounos Familie ist nur eine von vielen, die von der todbringenden Seuche zerrissen wurde. Doch die düstersten Prognosen, die bis Mitte Januar bis zu 1,4 Millionen Ebola-Fälle vorhersagten, haben sich dank internationaler Hilfe nicht bewahrheitet. Die schwachen Staaten Liberia und Sierra Leone, in denen schreckliche Bürgerkriege erst seit gut einem Jahrzehnt beendet waren, sind entgegen mancher Befürchtung nicht zusammengebrochen und in Anarchie versunken. Auch hat sich das Ebola-Virus außerhalb Westafrikas nicht stark verbreitet. Die Horrorvision einer Epidemie etwa in den Slums von Nigeria oder in asiatischen Metropolen blieb der Welt erspart. Doch für eine Entwarnung ist es noch zu früh.

Die Lage scheint sich in Liberia und Sierra Leone inzwischen langsam zu stabilisieren, doch in Guinea ist die Tendenz laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch nicht klar. Rund 19.000 Krankheitsfälle zählte die WHO bislang, fast 7400 Frauen, Männer und Kinder starben demnach bis Mitte Dezember. Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle liegt vermutlich deutlich höher. Experten hoffen, die Epidemie 2015 unter Kontrolle zu bringen. Doch niemand wagt zu schätzen, wie viele Menschen noch daran sterben werden. „Ebola ist weiterhin eine globale Krise“, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Freitag in Sierra Leone. Ziel sei es, keine Krankheitsfälle mehr zu haben. „Es braucht nur einen einzigen Fall, um eine neue Epidemie zu starten.“

In Sierra Leone ließ die Regierung alle öffentlichen Feiern zu Weihnachten und Silvester verbieten, um zu verhindern, dass sich in Menschenansammlungen weitere Personen anstecken. „Wir sind nicht so weit, wie wir sein müssten, wir stehen immer noch vor riesigen Herausforderungen“, sagte Präsident Ernest Bai Koroma.

Da die Krankheit zunächst in abgelegenen Regionen auftrat – weit weg von Europa und Amerika –, wurde sie maßlos unterschätzt. Die mit kleineren Ebola-Epidemien in Afrika vertraute Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnte bereits im März, dass es sich um eine „Epidemie in einer nie dagewesenen Größenordnung“ handele. Doch der Hilferuf verhallte weitgehend ungehört. Damals waren erst 78 Ebola-Tote zu beklagen.

Bis die Weltgemeinschaft aufwachte, war es für einen schnellen Erfolg schon zu spät. Die WHO stufte die Epidemie erst im August als Internationalen Gesundheitsnotfall ein. Das wissenschaftliche Fachmagazin „Science“ kürte die schleppende internationale Reaktion zum Versagen des Jahres. „Zu wenig, zu spät“, schrieb Chefredakteurin Marcia McNutt. „Epidemiologen sind sich einig, dass schnelles und effektiveres Handeln das Schlimmste hätte verhindern können.“

Die Hilfe der internationalen Gemeinschaft kam erst richtig in Fahrt, als auch Europäer und Amerikaner in Westafrika an Ebola erkrankten und nach Hause geflogen wurden. Plötzlich brach in manchen Ländern geradezu eine medial befeuerte Ebola-Hysterie aus. Bald waren Soldaten verfügbar, um Behandlungszentren aufzubauen und es wurde viel Geld mobilisiert. US-Präsident Barack Obama bat den Kongress um mehr als 6 Milliarden Dollar, die EU-Staaten sagten ihrerseits etwa 1,2 Milliarden Euro zu. Diese und andere Hilfszusagen entsprechen etwa der Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung der drei Ebola-Länder zusammen von rund 13 Milliarden Dollar.

Doch selbst im besten Fall werden die drei Staaten nach Ansicht von Experten mehrere Jahre brauchen, um sich wirtschaftlich und gesellschaftlich von den Folgen der Epidemie zu erholen. „Das Virus hat die Grundlagen der Gesellschaft angegriffen – wie Menschen leben, wie sie lieben und wie sie sterben“, sagte Ban. Die UN warnt zudem, rund 500.000 Menschen hätten nicht mehr genug zu essen, bis März könnten es eine Million sein.

Zudem hat Ebola Zehntausende Kinder und Erwachsene traumatisiert, entweder weil sie Familienmitglieder verloren haben oder weil sie monatelang in Angst vor dem Virus lebten. Fünf Millionen Kinder in der Region haben keinen Schulunterricht mehr. Bis September hatten nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef bereits etwa 4000 Kinder mindestens einen Elternteil verloren. Viele sind auch traumatisiert, weil sie oder ihre Eltern zur Behandlung isoliert wurden und sie sich plötzlich in einer Welt mit ausländischen Helfern in futuristischen Schutzanzügen wiederfanden.

Der Fokus auf die Zahlen der Ebola-Toten verstellt auch den Blick auf die völlig kollabierten örtlichen Gesundheitssysteme. Viele Frauen starben bei Geburten, da Hebammen aus Angst vor Ebola die Arbeit verweigerten. Für Krankheiten wie Malaria oder Cholera gibt es kaum noch adäquate Behandlung. Die große Aufgabe sei es daher, die örtlichen Gesundheitssysteme wieder aufzubauen, erklärt Katherine Mueller, die Sprecherin des Roten Kreuzes in Afrika. „Momentan könnte es gut sein, dass in den drei Ländern mehr Menschen an anderen Krankheiten sterben als an Ebola.“

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