Cannabis-Feldversuch in Apotheken APOTHEKE ADHOC, 24.08.2015 08:17 Uhr
In Düsseldorf könnte es Cannabis künftig legal zu kaufen geben – womöglich in der Apotheke. Der Gesundheitsausschuss der Landeshauptstadt hat sich am Mittwoch für die „lizensierte Abgabe von Cannabisprodukten“ ausgesprochen. Die Stadtverwaltung muss jetzt eine Sondergenehmigung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragen.
Ziel ist eine „streng regulierte Abgabe von Cannabisprodukten, gekoppelt mit Schutz- und Präventionsangeboten, anstelle des heute kriminalisierten, unkontrollierten Handels“. Weltweit fehle jeder Beweis, dass Verbote den Drogenkonsum einschränken würden, heißt es in dem Antrag der Grünen, den die Ampelkoalition gegen die Stimmen der CDU beschlossen hat.
In Portugal und in den Niederlanden sei die Zahl der Konsumenten nach der Entkriminalisierung von Cannabis gesunken. Hierzulande kämen Aufklärung, Prävention und Hilfe zu kurz. Der THC-Gehalt der Schwarzmarktware werde nicht geprüft, schädliche Stoffe blieben unentdeckt. Konsumenten befänden sich außerhalb der Legalität und somit in potenzieller Gefährdung.
„Die kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten durch Verkaufsstellen eröffnet eine Möglichkeit der sinnvollen Regulierung, wie sie der Schwarzmarkt naturgemäß nicht zulässt. Dem illegalen Handel würde zudem die Grundlage entzogen“, heißt es weiter. Neben den Grünen hatte auch die Linksfraktion einen ähnlichen Antrag vorgelegt.
Unter Einbeziehung des Lenkungskreises Suchthilfeplanung, weiteren Drogenexperten und der Polizei soll das Gesundheitsamt jetzt nicht nur klären, welche Altersgruppen für den legalen Bezug infrage kommen, sondern auch welche Abgabestellen zugelassen und wie diese kontrolliert werden.
Eine mögliche Anlaufstelle wären für den Grünen-Abgeordneten Norbert Czerwinski die Apotheken: „Wir sehen durchaus die Risiken, die insbesondere ein regelmäßiger Drogengebrauch mit sich bringen kann. Umso wichtiger ist das Umfeld. In Apotheken findet eine medizinische Beratung statt, so gesehen wäre es nahe liegend, sie einzubinden.“
Czerwinski schweben spezielle Bereiche in den Apotheken vor, zu denen nur Volljährige Zugang haben. Als Politik habe man in dieser Phase aber keine Vorgaben machen wollen; das Gesundheitsamt solle jetzt den Kontakt zu Apothekerkammer und -verband suchen, so Czerwinski. Der Grünen-Politiker rechnet damit, dass das Projekt irgendwann im kommenden Jahr starten könnte.
Nach dem Beschluss aus dem Rathaus muss jetzt das Gesundheitsamt einen entsprechenden Antrag vorbereiten, über den das BfArM dann innerhalb von drei Monaten entscheiden muss. Die Behörde in Bonn kann laut Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eine entsprechende Ausnahmeerlaubnis erteilen, wenn ein „wissenschaftlicher oder anderer im öffentlichen Interesse liegender Zweck“ verfolgt wird.
Um ihren Vorstoß zu untermauern, wollen die Abgeordneten in Düsseldorf die Folgen der Freigabe untersuchen lassen. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Personen mit problematischen Konsummustern durch diese Form der Abgabe eher erreicht und ob gesundheitliche Schädigungen durch effektiveren Verbraucherschutz verringert werden können. „Zudem ist zu prüfen, inwieweit der Jugend- und Verbraucherschutz von einer Zerschlagung des Schwarzmarktes konkret profitiert“, heißt es im Antrag.
Die Apotheker sehen dem Vorstoß mit gemischten Gefühlen entgegen: Gegenüber der Rheinischen Post sagte Nordrheins Verbandsvize Werner Heuking, man werde die Entscheidung aus der Politik akzeptieren. „Doch dazu sollten vorab Gespräche geführt werden.“
Ähnlich hatte unlängst ABDA-Präsident Friedemann Schmidt im Interview mit der Dumont-Grupppe argumentiert: Zwar sehe man vor allem die gesundheitlichen Risiken und sei eher gegen eine Freigabe von Cannabis. „Insofern kann ich nicht sehen, dass wir uns freiwillig als Vertriebskanal zur Verfügung stellen. Ein Monopol der Apotheken auf die Abgabe von Drogen? Das wollen wir nicht.“ Aber: „Wenn Politik und Gesellschaft den Apothekern diese Aufgabe zuweisen, werden wir sie übernehmen. Ob wir das gut finden oder nicht.“
Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte im Juni einen Antrag beim BfArM gestellt, um Haschisch und Marihuana legal in Coffeeshops verkaufen lassen zu können. In den Verkaufsstellen sollen Haschisch und Marihuana staatlich kontrolliert an registrierte Konsumenten aus dem Bezirk verkauft werden. Mit dem Vorstoß solle der ausufernde kriminelle Drogenhandel entlang der Partymeilen des Bezirks eingedämmt werden, hieß es.
Es gilt als unwahrscheinlich, dass das BfArM, das dem CDU-geführten BMG angegliedert ist, derartige Verkaufsstellen erlaubt. Sollte es den Antrag ablehnen, will der Bezirk Widerspruch einlegen und klagen. Die Grünen wollen damit die politische Debatte um die Freigabe von Cannabis vorantreiben.
Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD) hatte sich vor kurzem als erster Ministerpräsident für eine Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist grundsätzlich für eine Legalisierung von Cannabis, um den Stoff zu entkriminalisieren. Einen freien Verkauf kann er sich aber nicht vorstellen. Auch die Hamburger Landesregierung erwägt, die Gesetzesregeln zum Konsum zu lockern: Justizsenator Till Steffen (Grüne) will das Kiffen zumindest zu einer Ordnungswidrigkeit herabstufen.