Während im Prozess um mutmaßlich gepanschte Krebsmedikamente vor dem Landgericht Essen heute wieder Zeugen vernommen wurden, melden sich Aktivisten zu Wort: Sie wollen am Mittwoch wieder auf die Straße gehen – zum vierten Mal seit der Festnahme des Bottroper Apothekers Peter S. Doch seit einigen Wochen gehen bei den Organisatoren Drohbriefe ein. Die Verfasser geben vor, die Interessen der Apotheke schützen zu wollen.
Seit Ende Dezember sind mehrere anonyme Drohbriefe bei Betroffenen, Whistleblowern und Aktivisten eingegangen. Offenbar sollen die Demonstranten eingeschüchtert werden. „Bis aufs Blut“ würden die Interessen der Apothekenmitarbeiter und ihrer Familien „verteidigt“, es gebe genügend Leute mit „herausragenden körperlichen Eigenschaften“, heißt es in den Briefen, wie das Recherchezentrum Correctiv berichtet. Aufgrund mehrerer Anzeigen ermittelt der Staatsschutz.
Heike Benedetti hatte die Demonstration angemeldet und bleibt trotz diverse Beschimpfungen und Drohungen standhaft: „Ich finde diese Briefe entsetzlich. Wir lassen uns aber nicht unter Druck setzen oder aufhetzen. Wir wollen, dass alles friedlich bleibt. Gewalt ist nicht unser Weg.“ Die vierte Demonstration soll wie geplant am 10. Januar ab 17.30 Uhr durchgeführt werden.
Mit den Demonstrationen wollen Betroffene erreichen, dass Patienten durch konkrete Maßnahmen vor weiteren Panschereien geschützt werden. Dazu könnten Kontrollen und unangemeldete Qualitätschecks in Apotheken gehören. Zudem sei die vollständige Aufklärung des Skandals von erheblicher Bedeutung für alle Betroffenen, so Correctiv. So fordern die Betroffenen eine unabhängige Fallkontrollstudie, die die genaue Opferzahl erkennen lässt, sowie einen Ausgleich für die Opfer. Der Apotheker dürfe durch seine mutmaßlichen Panschereien nicht auch noch wirtschaftlich profitiert haben.
Unterdessen wurde vor dem Landgericht Essen der Prozess gegen Peter S. fortgesetzt. Als Zeuge wurden heute eine PTA und ein Fahrer der Apotheke vernommen. Erstere hatte laut Correctiv-Bericht bis Juli vergangenen Jahres in der Apotheke gearbeitet, insgesamt mehr als zehn Jahre lang.
In ihrer Aussage kam Belastendes gegen Peter S. zutage: Sie berichtet von Gerüchten, dass es im Labor nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Eine Kollegin habe sich gewundert, dass eine Flasche eines teuren Krebsmittels übrig geblieben sei. Eine andere habe gesagt, sie wolle nicht, dass Krebsmittel für eine Verwandte von S. anfertigt würden. Sie habe S. nicht in Schutzkleidung gesehen. Vier Apotheker hätten in kurzer Zeit im Sterillabor gearbeitet, einer habe die Apotheke von einem Tag auf den anderen verlassen.
Nach der Verhaftung von S., so die Zeugin in ihrer Aussage, hätten die Eltern des Apothekers den Mitarbeiterin verboten, etwas zu sagen. „Wir wurden mundtot gemacht“, zitiert Correctiv die PTA, derzufolge insbesondere die Mutter, der die Apotheke heute wieder gehört, stets präsent gewesen sei. Die Angestellten aus dem Zytolabor hätten erst einmal Überstunden abgebummelt und seien wochenlang zu Hause gewesen. Später hätten sie einen anderen Aufgabenbereich bekommen, nur Fahrer hätten ihren Job verloren.
Der Fahrer dagegen sagte aus, nicht mitbekommen zu haben, dass in der Apotheke womöglich Medikamente gepanscht wurden. Darüber sei auch nicht geredet worden; die Mitarbeiter seien wie eine Familie, betonte er mehrfach. Nach der Verhaftung sei das Team noch enger zusammengerückt. Aktuell gebe es noch fünf der vormals 22 Boten. Allerdings gab er zu Protokoll, dass er gehört habe, dass S. gelegentlich im Anzug im Labor gewesen sei. Auch er selbst habe S. niemals in Schutzkleidung gesehen.
Nach einer Verhandlungspause beantragten die Anwälte der Nebenklage die Beschlagnahme des Handys des Fahrers. Sie haben es, so Correctiv, auf eine Whatsapp-Gruppe unter den Fahrern der Alten Apotheke abgesehen. Auch am Tag der Verhaftung seien Nachrichten in der Gruppe getauscht worden. Die Staatsanwaltschaft schließt sich an, der Zeuge und die Verteidigung halten dies für unzulässig. Das Gericht weist den Antrag schließlich ab.
Die Eltern des Apothekers haben es laut Correctiv abgelehnt, als Zeugen vernommen zu werden. Am 15. Januar soll die Frau des Mannes vernommen werden, der bereits 2013 Anzeige erstattet hatte. Am 8. Februar soll ein Vertreter von Hexal vor Gericht erscheinen. Die Verteidiger behaupten, S. habe von ihm Krebsmittel „aus dem Kofferraum“ gekauft. Hexal hatte dieser Behauptung bereits am ersten Prozesstag widersprochen.
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