Drogeriemarktkette

Schlecker: „Insolvenz war für mich unvollstellbar“

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Stuttgart -

Die Katastrophe will Anton Schlecker nicht kommen gesehen haben. „Die Insolvenz für mein Unternehmen war für mich unvollstellbar“, beteuert er heute in seinem Bankrottprozess vor dem Stuttgarter Landgericht. Das Szenario, das 2012 harte Realität für 25.000 deutsche Schlecker-Mitarbeiter wurde, hielt Schlecker nach eigenen Worten nicht für denkbar. „Für mich gab es kein unternehmerisches Scheitern. Ich war sehr erfolgsverwöhnt.“

Zum ersten Mal seit Jahren meldet sich der ehemalige Drogeriemarktunternehmer persönlich zu Wort. Selbst als das Ende unabwendbar war, schickte er noch seine Tochter Meike vor, um den Zusammenbruch seines Imperiums zu verkünden. „Das alles fällt mir nicht leicht, weil es meinem Naturell widerspricht“, sagt er zu Beginn seines Vortrags im Saal 18 des Stuttgarter Landgerichts. „Öffentliche Aufmerksamkeit hat mich zeitlebens bedrängt, egal ob in guten oder in schlechten Zeiten.“

Dabei wirkt Schlecker an diesem Montag gar nicht scheu. Der 72-Jährige ist zwar nach wie vor blass in seinem dunkellila Rollkragenpullover, den er unter dem dunklen Jackett mit zarten Nadelstreifen trägt. Doch mit großen Gesten und sichtlicher Erregung beschreibt er Aufbau und Fall seines Lebenswerks.

Seine Stimme ist fest, nur einmal bricht sie, als er von einem Anruf seiner Tochter kurz vor der Pleite im Januar 2012 berichtet. Fassungslos sei sie gewesen. „Papa, die lassen uns fallen.“ Ob allerdings Betroffenheit aus seiner Stimme spricht oder eine drohenden Hustenattacke, wird nicht ganz klar. Vor ihm auf dem Tisch stehen Lutschpastillen. Zwei Mal erbittet er sich einen Schluck Kaffee aus der Edelstahl-Thermoskanne.

Die Botschaft von Anton Schlecker ist wenig überraschend. Sein Handeln sei nie von dem Motiv getragen gewesen, Vermögen zu beseitigen, Gläubiger zu benachteiligen oder eine Straftat zu begehen. „Insbesondere hatte ich nicht den Ansatz, eine Art Vorsorge für eine drohende Insolvenz zu treffen“, so Schlecker.

Der Satz „Alles war in unserem Unternehmen offen ausgewiesen“, klingt dennoch eigentümlich aus dem Mund eines Unternehmers, der über Jahrzehnte ein Geheimnis aus seinen Geschäften machte. Schlecker führte ein Unternehmen mit Milliardenumsätzen als eingetragener Kaufmann. Das heißt, im Falle der Pleite haftete er mit seinem gesamten Vermögen.

Die Anklage wirft Schlecker vor, vorsätzlich Bestandteile seines Vermögens dem Zugriff der Gläubiger entzogen zu haben – insgesamt mehr als 25 Millionen Euro. Er selbst vertritt in seinem gut einstündigen Vortrag die Ansicht, dass Handelspartner und Versicherer sein Unternehmen Anfang 2012 zu früh aufgegeben hätten. Im Januar 2012 habe ein Versicherer den Lieferantenschutz aufgehoben. Schlecker wird bewusst, dass seine Geschäfte damit zum Erliegen kommen würden. „Der Insolvenzantrag war erforderlich. Das war ein schwerer Gang.“

Am 23. Januar 2012 meldet Anton Schlecker Insolvenz an. Das Scheitern hat er offenbar nicht kommen sehen. «Ich erinnere mich nicht an Liquiditätsprobleme, die ich für nicht überwindbar gehalten hätte“, sagte er. Noch 2011 habe er Millionen für Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Mitarbeiter ausgegeben. Doch das hilft denen nicht lange. Nach der Pleite verlieren 25.000 Schlecker-Beschäftigte in Deutschland ihren Job, noch einmal so viele im Ausland. Die Forderungen der Gläubiger belaufen sich auf gut eine Milliarde Euro. Gut ein Jahr nach der Pleite zahlt die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter 10,1 Millionen Euro. Hintergrund ist der Streit um übertragenes Vermögen aus dem Unternehmen.

Dass er den Gläubigern vor der Pleite noch mehr Geld entzogen haben soll, bestreitet Schlecker. Die Familie habe gut gelebt, seine Kinder sollten nach der traumatischen Entführung Ende der 1980er Jahre ein sorgenfreies Leben führen. Sie bekamen nicht nur Schleckerfilialen zum Abitur, sondern auch Immobilien geschenkt. Geld, dass er an Enkel und Kinder überwiesen habe, habe keinen Bezug zur Situation des Unternehmens gehabt. Schlecker beschreibt die Übertragung von fünf- oder sechsstelligen Summen so selbstverständlich als hätte er einen 50-Euro-Schein zu Weihnachten geschenkt.

Gut eine Stunde spricht der 72-Jährige, Pausen lehnt er zwei Mal ab. Dann setzt er sich, packt seine Thermoskanne ein und schweigt wieder. Fragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, lässt er seinen Anwalt Norbert Schaft ausrichten, wolle er an diesem Montag nicht beantworten.

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