Drogenhandel

Crystal-Prozess vorerst geplatzt

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Leipzig -

Die Behörden haben im vergangenen Jahr eine Rekordmenge des Crystal-Grundstoffs Chlorephedrin aus dem Verkehr gezogen. Im Zentrum der Ermittlungen steht ein Leipziger Pharmahändler. Vor Gericht sehen die Staatsanwälte nun aber alles andere als gut aus.

Es beginnt als großer Erfolg im Kampf gegen die aggressive Partydroge Crystal – und endet vor Gericht vorläufig mit einem Debakel. Am Landgericht Leipzig ist der Prozess gegen die mutmaßliche Schlüsselfigur eines deutsch-tschechischen Crystal-Dealer-Rings überraschend vertagt worden. Das Verfahren gegen den 33 Jahre alten Pharmahändler und einen Mitangeklagten wurde noch vor Verlesung der Anklage auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Zu unsauber hätten die Ermittlungsbehörden gearbeitet, befand das Gericht. Die Haftbefehle gegen die beiden Männer wurden aufgehoben. Sie verließen das Gericht nach mehr als sieben Monaten U-Haft auf freiem Fuß.

Im November hatte das Bundeskriminalamt (BKA) den Rekordfund von 2,9 Tonnen des Crystal-Grundstoffs Chlorephedrin bekanntgeben. In Leipzig und Tschechien wurden reihenweise Verdächtige festgenommen, darunter auch der Pharmahändler. Aus dem Chlorephedrin hätten 2,3 Tonnen Crystal im Straßenverkaufswert von 184 Millionen Euro hergestellt werden können, teilte das BKA mit. „Erstmals ist es in Deutschland gelungen, eine solche große Menge sicherzustellen“, sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke damals.

Das Problem daran: Der bloße Handel mit Chlorephedrin ist in Deutschland nicht strafbar. Und mit dem Nachweis, dass aus der Chemikalie in Tschechien tatsächlich Crystal gemacht werden sollte oder in der Vergangenheit gemacht wurde, taten sich die Ermittlungsbehörden offensichtlich schwer.

Insgesamt soll der Chemikalienhändler 4,1 Tonnen beschafft haben. Ursprünglich hatte ihn die Staatsanwaltschaft Leipzig wegen 13 Fällen von Beihilfe zum Betäubungsmittelhandel im großen Stil angeklagt. Doch nur einen einzigen Fall ließ das Gericht überhaupt zur Verhandlung zu.

Am Dienstag nun gaben der Pharmahändler und sein 46 Jahre alter Mitangeklagter nur ihre Personalien zu Protokoll. Dann legten ihre fünf Verteidiger los: Die Staatsanwaltschaft habe das Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Die Ermittlungen seien überhaupt noch nicht abgeschlossen. Immer wieder seien Akten nachgereicht worden, die Verteidigung habe keine Chance auf vollständige Akteneinsicht gehabt. Ohnehin sei die Anklage der Staatsanwaltschaft Leipzig „misslungen“.

Oberstaatsanwältin Elke Müssig, in Drogensachen äußerst erfahren und anerkannt, wies die Vorwürfe zurück. „Dass Unterlagen nachgereicht werden, lässt sich bei einem Verfahren dieses Umfangs leider nicht vermeiden“, sagte sie. Zudem seien nur „kurze, überschaubare Gutachten“ nachgereicht worden. Der Pharmahändler und der 46 Jahre alte Mitangeklagte müssten in Untersuchungshaft bleiben, der Prozess planmäßig weitergehen.

Das allerdings sah die 8. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Rüdiger Harr anders. Es seien nicht einzelne Beweismittel nachgereicht worden, sondern die Staatsanwaltschaft habe eine Woche vor Prozessbeginn ein Zwölf-Punkte-Rechtshilfeersuchen an Tschechien gestellt, mit dem die Zusammenhänge des Leipziger Chlorephedrins mit Crystal-Funden belegt werden sollten. Zudem seien vor wenigen Tagen „Aktenkonvolute“ mit neuen Ermittlungsergebnissen bei Gericht angekommen.

„Die Kammer hatte daher keine andere Wahl, als das Verfahren auszusetzen“, sagte Harr. Er forderte die Staatsanwaltschaft ausdrücklich zu Nachbesserungen auf. Wann das Verfahren fortgesetzt werden kann, ist vollkommen offen. Der Pharmahändler und der mitangeklagte Helfer bleiben bis dahin auf freiem Fuß. „Der Fortbestand der Haftbefehle ist nicht mehr verhältnismäßig“, sagte Harr.

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