Drogenbeauftragte

Mortler: Tabakwerbung muss weg dpa, 30.06.2014 09:25 Uhr

Für den Jugendschutz: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), will sich für ein komplettes Tabakwerbeverbot einsetzen. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Die Bundesdrogenbeauftragte war machtlos. Sie zeigte sich überzeugt, dass Tabakwerbung in Deutschland komplett verboten werden sollte – aber vor einem Jahr stellte die damalige Amtsinhaberin Mechthild Dyckmans (FDP) ernüchtert fest: „Es war auch das Kanzleramt, das gesagt hatte, man sollte die Dinge nicht weiterverfolgen.“ Nun startet ihre Nachfolgerin Marlene Mortler (CSU) einen neuen Anlauf.

„Deutschland ist das letzte Land in Europa, das noch kein Plakatwerbeverbot für Tabak hat“, sagt Mortler. „Hier gibt es Handlungsbedarf.“ Wird sich Mortler gegen die Zigarettenindustrie und mögliche Bedenken in der Regierungsspitze durchsetzen?

Auch die damalige Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) wollte die Zigarettenreklame weiter eindämmen. Dagegen war vor allem ein Kabinettskollege, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). „Unser Leitbild ist der mündige Verbraucher“, begründete sein Ministerium die hartleibige Haltung. „Diesem Leitbild stehen immer neue Werbebeschränkungen entgegen.“ Die Grünen schimpften, die Regierung knicke ein vor Tabakindustrie und Werbewirtschaft.

Schon vor zehn Jahren verpflichtete sich Deutschland mit der Ratifizierung eines Abkommens der Weltgesundheitsorganisation zu einem umfassenden Werbeverbot. Doch passiert ist seither wenig. Der erste große Einschnitt bei der Tabakwerbung liegt rund 40 Jahre zurück: 1975 verbot das Lebensmittelgesetz die Reklame für die krebserzeugenden Produkte in Fernsehen und Hörfunk – und Werbung, die das Rauchen als unschädlich oder gesund verharmlost.

Dabei hatte die Zigarettenbranche das HB-Männchen, den Marlboro- und Camel-Mann schon vorher freiwillig von der Mattscheibe abgezogen und ins Kino verbannt. Erlaubt blieb vorübergehend noch Sponsoring von im Fernsehen gezeigten Sportereignissen. Erst 2007 folgte auch das Verbot, für Zigaretten in Zeitungen und Zeitschriften zu werben. Es war eine Umsetzung von EU-Recht – die deutsche Regierung hatte sich heftig, aber erfolglos dagegen gewehrt. Bis heute bleibt die Reklame auf Plakaten und nach 18 Uhr im Kino erlaubt – zur Empörung von Gesundheitsexperten.

Vor allem Minderjährige sollen nicht verführt werden, mit dem Rauchen anzufangen, fordern sie. „Je besser den Jugendlichen die Zigarettenwerbung bekannt ist, umso größer ist auch tatsächlich die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Laufe der Zeit mit dem Rauchen beginnen“, stellt das Deutsche Krebsforschungszentrum unter Berufung auf Studien fest.

Nach der Einführung von Werbeverboten in Norwegen, Finnland, Neuseeland und Frankreich sei der Tabakgebrauch dort stärker zurückgegangen als in Deutschland, so das Kieler Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung schon vor Jahren. Andere Forscher meinen auch, Teilverbote brächten wenig – Tabakwerbung müsse komplett untersagt werden.

Nun hat sich das Rauchen bei den Jugendlichen in Deutschland innerhalb von zehn Jahren mehr als halbiert – von rund 28 auf 12 Prozent laut jüngstem Drogen- und Suchtbericht. Allerdings raucht fast jeder dritte Erwachsene – 24 Prozent täglich, 6 Prozent gelegentlich.

An den Folgen des Rauchens sterben in Deutschland laut Robert Koch-Institut jedes Jahr zwischen 100.000 und 120.000 Menschen – geschätzt 7,5 Milliarden Euro kosten allein die Behandlungen der zahlreichen Krankheiten.

Trotzdem ist die Politik bei der heiklen Frage eines umfassenden Werbeverbots über Ankündigungen bisher nicht hinausgekommen. Mortler hatte sich nach ihrem Amtsantritt zunächst zurückgehalten – jetzt bekennt sie sich zum Verbot, räumt aber vorsichtshalber ein: „Dafür braucht es Mehrheiten.“ Zweifel an ihrem Willen sollen nicht aufkommen. „Ich möchte alle Möglichkeiten ausnützen.“