Drei Tote: Bewährungsstrafe für Heilpraktiker dpa/APOTHEKE ADHOC, 15.07.2019 17:01 Uhr
Ein Heilpraktiker aus Moers ist für die fahrlässige Tötung von drei Krebspatienten zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Krefelder Landgericht sprach den 61-Jährigen am Montag wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen schuldig. Das Gericht attestierte ihm „schwere Verletzungen der Sorgfaltspflicht“. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Gefängnis gefordert. Der Heilpraktiker hatte Krebspatienten mit dem experimentellen Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP) behandelt – und ihnen eine mehrfache tödliche Dosis verabreicht.
Der Heilpraktiker habe bei der Behandlung mit einem nicht zugelassenen Medikament, einem hochwirksamen Zellgift, „alle Pflichten missachtet“ und grob fahrlässig gehandelt. So habe die von ihm benutzte Waage keine tausendstel Gramm messen können, obwohl es darauf angekommen sei. Dadurch habe er seinen Patienten eine bis zu sechsfache, tödliche Überdosis verabreicht.
Die Verteidigerin des Verurteilten hatte zuvor einen Freispruch beantragt. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Therapie ihres Mandanten den Tod der Patienten verursacht habe. Diese seien schwer krebskrank gewesen und hätten die klassische Chemotherapie abgelehnt. Sie hätten gewusst, dass sie sich auf eine experimentelle Therapie einließen. Eine Rechtsanwältin, die Angehörige als Nebenkläger vertritt, zog die Aussage des Heilpraktikers in Zweifel, er habe seinen Beruf ergriffen, um schwerkranken Menschen zu helfen. Der 43-Jährigen, deren Angehörige sie vertrete, sei es nach der Behandlung sehr schlecht gegangen. Dennoch habe der 61-Jährige keinen Notarzt alarmiert und die an Brustkrebs erkrankte Frau einfach nach Hause geschickt. Obwohl es bei der Dosierung auf das Körpergewicht ankomme, habe er die zweifache Mutter nicht gewogen.
Dem 61-Jährigen werden in der Anklage fahrlässige Tötung in drei Fällen und fahrlässige Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz in vier Fällen vorgeworfen. Zwei Frauen und ein Mann starben im Juli 2016 innerhalb von zwei Tagen nach der Infusion. Am ersten Tag der Verhandlung hatte der Heilpraktiker eine ausführliche Aussage gemacht. Eifrig und detailreich erklärte er seine berufliche Laufbahn. Er beschrieb Behandlungsmethoden, die er gelernt habe, wie er Patienten mögliche Therapien erklärt habe. Der Mann wirkte angespannt, sagte, er habe selbst ein großes Interesse daran, eine Erklärung zu finden. 2010 habe er seine Heilpraktikerprüfung abgelegt, ab September 2014 in einer Praxis in der Gemeinde Brüggen gearbeitet. Dort seien fast ausschließlich Krebspatienten behandelt worden – oft „hoffnungslose Fälle“, wie der 61-Jährige sagte.
Zum Jahreswechsel 2015/16 sei er dann zum ersten Mal mit dem experimentellen Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP) in Berührung gekommen. Hoffnung auf Heilung habe er seinen Patienten nie gemacht. „Dazu hatte ich ja auch zu wenig Erfahrung“, sagte der 61-Jährige. Und doch habe er den Eindruck gehabt, dass der Wirkstoff einigen Patienten helfe. Über einen Patienten berichtete er: „Der konnte am Anfang nicht allein laufen, nach der zweiten Behandlungswoche ist er wieder mit den Hunden spazieren gegangen.“ Der Mann war später durch die Verabreichung einer Infusionslösung mit dem Wirkstoff 3-BP gestorben.
Der Angeklagte erklärte, er habe jede Infusion immer direkt vor der Gabe vorbereitet. Mit einem kleinen Dosierlöffel habe er das Pulver aus einer großen Flasche geholt und abgewogen. Wochen und Monate sei er genau gleich vorgegangen. Als die drei Patienten Ende Juli 2016 nach der Behandlung am selben Tag Beschwerden hatten, sei es das erste Mal gewesen, dass etwas nicht nach Plan gelaufen sei. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob er sich auch mal nur auf sein Augenmaß verlassen habe, die Waage nicht genutzt habe, antwortete der 61-Jährige: „Ich habe die Waage benutzt, ausnahmslos.“
Auch an die empfohlene Dosierung von zwei bis vier Milligramm habe er sich gehalten. In der Anklage ist von sieben bis zwölf Milligramm die Rede, die in den vorliegenden Fällen verabreicht worden sein sollen. Die neue Waage habe er im April 2016 gekauft. Sie sei hygienischer zu verwenden gewesen als die alte. Laut Staatsanwaltschaft war sie aber nicht geeicht. Der Hersteller gebe in der Bedienungsanleitung an, dass das Abwiegen von Kleinstmengen damit nicht möglich sei.