Immer mehr Menschen holen sich medizinischen Rat im Internet. Allerdings kann „Dr. Google“ aus Sicht der Ärztekammer den persönlichen Praxisbesuch nicht ersetzen. „Die ständige Erreichbarkeit von mehr oder minder zutreffenden medizinischen Informationen im Internet führt bei vielen Patienten zu starker Verunsicherung“, sagte Kammerpräsidentin Dr. Martina Wenker anlässlich des sogenannten niedersächsischen Digitalgipfels Gesundheit.
Wenker verwies auf die Angststörung „Cyberchondrie“. Dabei googeln Menschen eigene Symptome und bilden sich unbegründet schwere Krankheiten ein. Die Recherche im Internet verstärkt Studien zufolge die Ängste von Menschen, die zu Hypochondrie neigen. „Wir Ärzte müssen die Ängste dieser Patienten ernst nehmen und die vielen Informationen für sie richtig einordnen — und das geht vor allem im direkten Arzt-Patienten-Kontakt.“
Die Veranstaltung befasst sich aber nicht nur mit der „Cyberchondrie“, sondern auch mit der Telemedizin. Vom 1. Dezember an dürfen Mediziner ihre Patienten auch ausschließlich per Telefon, SMS, E-Mail oder Online-Chat behandeln. Zuvor war das nur nach einem ersten persönlichen Kontakt in der Praxis möglich. Damit setzt Niedersachsen einen Beschluss des Deutschen Ärztetages um.
Nach einer Anfang 2018 veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung informiert sich die Hälfte der deutschen Internet-Nutzer mindestens einmal im Monat online über Gesundheitsthemen: 58 Prozent von ihnen vor dem Gang zum Arzt, 62 Prozent recherchieren die Diagnose nach dem Praxisbesuch im Internet nach. Mehr als die Hälfte sind mit den Ergebnissen „meistens oder immer zufrieden“, 44 Prozent zumindest „teils, teils zufrieden“.
„Aus unserer Sicht sind die Möglichkeiten und der Nutzen des Internets größer als die Gefahren, die da lauern“, sagte Studienleiterin Marion Grote-Westrick. Ärzte sollten verstärkt Patienten Informationsmaterialien und Links zu wissenschaftsbasierten Internet-Seiten geben. „Wir fordern, dass solche vertrauenswürdigen Informationen oder auch Videos künftig in der elektronischen Patientenakte hinterlegt sind“, sagte die Forscherin. Notwendig seien auch standardisierte Entscheidungshilfen bei der Auswahl zwischen alternativen Behandlungsmethoden.
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