„Ich mach' das jetzt einfach“

Doppelte Apothekenübernahme

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Berlin -

Im niedersächsischen Edewecht haben zur gleichen Zeit zwei Apothekerinnen ihre Betriebe verkauft: Frauke Bresse-Kühmichel hat ihre Apotheke an Svenja Giese übergeben und Maria Bründermann ihre an Steffen Wirth. Die beiden frischgebackenen Inhaber gehen nicht nur privat gemeinsame Wege, sondern sind fortan auch beruflich eng miteinander verbunden. Die Übernahme im Doppelpack sei weniger Zufall gewesen, sondern brauchte etwas Glück und Überredungskunst.

Während des Pharmaziestudiums in Kiel lernten sich die Hamburgerin Svenja Giese (30) und der Ammerländer Steffen Wirth (30) kennen und lieben. Beide erlangten 2018 ihre Approbation. Der Entschluss, sich irgendwann selbstständig zu machen, musste aber erst wachsen, erzählt der Apotheker: Er hat in seinem praktischen Jahr in Kopenhagen an der Universität geforscht. „Wissenschaft hat mich schon immer fasziniert“, so Wirth. Eigentlich wollte er sich Optionen offenhalten, später in die Industrie zu gehen. Daher hat er auch nach dem Studium in Hamburg mit der Promotion begonnen. Die Forschungstätigkeit hat er bereits abgeschlossen. Nun muss alles noch zusammengeschrieben werden und dann kommt hoffentlich Mitte des Jahres die Verteidigung.

Wirth ist im Ammerland verwurzelt und hegte schon länger den Wunsch, zurück in die Heimat zu kehren. Von dort aus wissenschaftlich zu arbeiten, stellt sich jedoch schwierig dar. Daraus wuchs der Gedanke, zusammen mit seiner Partnerin eine eigene Apotheke zu führen und auf diese Weise die gemeinsamen Vorstellungen und Ziele verwirklichen zu können.

Von der Großstadt aufs Land

Über die Apobank bekamen Giese und Wirth den Hinweis, dass Frauke Bresse-Kühmichel (56) eine Nachfolge für ihre Hubertus-Apotheke sucht. Sie führte 25 Jahre ihren Betrieb, der insgesamt 45 Jahre in Familienbesitz war. Bresse-Kühmichels Sohn ist beruflich seinen eigenen Interessen gefolgt. Somit war für die Apothekerin klar: Früher oder später muss sie sich um eine geeignete Nachfolge kümmern. Ohnehin wollte sie nunmehr ins Angestelltenverhältnis zurückkehren.

Da Wirth in Hamburg mit seiner Promotion beschäftigt war, hat Giese sich für die Übernahme in Edewecht beworben. Und bereits seit Juni arbeitet sie nun in der Apotheke mit. Zunächst als angestellte Apothekerin und seit Januar schließlich als neue Leitung. So konnte sie in Ruhe das Team kennenlernen und sich einfühlen in die Gegebenheiten. Bresse-Kühmichel war es besonders wichtig, dass ihre Mitarbeiter den Wechsel mittragen und vor allem bleiben. Umso beruhigter ist sie nun, dass sich alles entsprechend entwickelt hat. „Frau Giese passt prima nach Edewecht“, freut sich die Apothekerin. Tatsächlich bereut diese den Umzug von Hamburg nicht. Das Ländliche gefalle ihr sehr. Und sollte doch einmal Sehnsucht nach der Großstadt aufkommen: in zwei Stunden sei man per Zug in Hamburg.

„Ich mach' das jetzt einfach“

Nachdem Steffen Wirth an Maria Bründermann (59) herantrat und seinen Vorschlag unterbreitete, die Nikolai-Apotheke der Inhaberin als Haupt-Apotheke einer OHG zu übernehmen, brauchte sie etwas Bedenkzeit. Sie blickt auf 31 Jahre Selbstständigkeit zurück und hatte eigentlich noch nicht vor, ihren Betrieb abzugeben. Sie hat sich viel aufgebaut: Bei ihrer Übernahme damals handelte es sich um einen sogenannten Zwei-Mann-Betrieb, heute sind es 25 Mitarbeiter:innen. Bründermann ist stolz auf das tolle Team. Zum großen Teil sind ihre Angestellten ihr und dem Betrieb seit 25 bis 30 Jahren treu. Überhaupt habe sie immer nur Arbeitsverträge geschrieben, nur zweimal eine Kündigung. Es steckt jede Menge Energie und Herzblut in ihrem Geschäft. Eine Weiterführung in ihrem Sinne ist für Bründermann absolut wünschenswert. Aber auch unter ihren Kindern findet sich kein Pharmazeut.

Die Apothekerin hat das junge Paar in intensiven Gesprächen gut kennengelernt. Man ist sich sehr sympathisch. Intentionen, die nötig sind, um einen Betrieb zu leiten und voranzubringen sind bestens gegeben, so Bründermann. Trotz dass ihr Plan ein anderer war, hat sie zugestimmt: „Ich mach das jetzt einfach.“

Wirth hat zum Jahresbeginn als neuer Inhaber die Apotheke übernommen. Auch dieses Team hat ihn herzlich in Empfang genommen. Seine Vorgängerin will ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen, um einen fließenden und harmonischen Führungsübergang zu schaffen. Dem jungen Apotheker ist es wichtig, dass „gemeinsam Hand in Hand“ gearbeitet wird. Zum Glück ist dies in Edewecht „absolut der Fall“, erzählt Wirth.

Stärker als das Internet

Der Verkauf ihrer Apotheke und die Gründung der OHG sei eine Zukunftsentscheidung gewesen, berichtet Bründermann. Im Zeitalter von Digitalisierung und Internetkonkurrenz hat Edewecht zwei große starke Apotheken vor Ort, die jetzt gemeinsam und miteinander wirken. „Dadurch ergeben sich diverse Synergien. Sie können sich breitschultriger gegebenen Herausforderungen stellen, gleichrangig agieren und sogar die Nase vorn behalten.“

Die beiden Betriebe liegen nur etwa 1500 Meter auseinander, flächenmäßig ist die Gemeinde Edewecht allerdings groß. Ein Bote fährt dringend benötigte Arzneimittel bis an die Stadtgrenze von Oldenburg. Und dies manchmal von jetzt auf gleich: „Das bietet keine Internet-Apotheke“, da ist sich Bründermann sicher. Außerdem wird vor Ort nicht einfach nur ein Medikament abgegeben: Es gibt Beratung, Nachfragen, Ratschläge und Qualität. Für ein Problem wird eine Lösung gefunden, etwa bei einem falsch ausgestellten Rezept oder bei Lieferengpässen. Aktuell arbeitet man daran, Fiebersäfte und Säuglingszäpfchen herzustellen, die momentan als Fertigware nirgends zu bekommen sind. Insgesamt sieht sich das Quartett als verlässlicher Partner im Gesundheitswesen. Man bietet generell einfach mehr als das Internet.

Thematisch sind die beiden Apotheken auf vielen Feldern aktiv: Es gibt ausgebildete Aromatherapeuten, eine Darmexpertin und mehrere Phytothek-Expert:innen. Eine Kollegin wird aktuell zur Heilpraktikerin ausgebildet. Angebote für Ernährungsprogramme, Diabetes-Treffs und Nordic-Walking-Stunden wurden organisiert. Den Bereich der Kosmetik und Fußpflege möchten Giese und Wirth weiter ausbauen, um als Apotheke einfach mehr für Edewecht anbieten zu können. Es besteht eine sehr gute Zusammenarbeit mit den umliegenden Ärzten, Hauskrankenpflegen, Altenheimen und sogar mit Hebammen.

Seitenwechsel

Bresse-Kühmichel und Bründermann kennen sich sehr gut. Sie sind dankbar füreinander. Seit jeher arbeiten sie bestens zusammen. „Wir haben schon immer ein tolles kollegiales Verhältnis, was nicht normal ist“, betont Bresse-Kühmichel und ergänzt: „Das ist nicht selbstverständlich, zumindest nicht in dem Ausmaß, wie es sich bei uns verhält.“

Die beiden Frauen werden in den Apotheken weiterhin als angestellte Approbierte arbeiten, das haben sich alle vier Parteien so gewünscht.

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