In der Apotheke wird das Personal bei bestimmten Beratungsthemen öfter vor Hürden gestellt: Empathie und Diskretion spielen hier meist eine große Rolle. Besonders knifflig kann es dann im Notdienst werden, wenn die Beratungskabine nicht zur Verfügung steht. Das muss auch Sarah Sonntag feststellen, die diesmal mit einem besonderen Beratungsfall zur „Pille danach“ zu tun hat.
Manche Beratungsthemen sind sowohl für die Betroffenen als auch für das Apothekenpersonal unangenehm: Denn über Vaginalpilz oder Schweißfüße spricht eigentlich niemand gern. Dennoch spalten sich die Kunden in zwei Gruppen: Während die einen mit Schamesröte im Gesicht und stotternd von ihren Problemen und Symptomen erzählen, plaudern andere aus dem Nähkästchen – obwohl die Apotheke vollsteht. Manchmal ist dann klares Fremdschämen angesagt.
Neben den unangenehmen Themen gibt es auch noch die besonders sensiblen Angelegenheiten, zu denen beispielsweise Potenzstörungen oder Beratungen zur Schwangerschaft zählen – hier spielt die Diskretion eine noch wichtigere Rolle. Zudem sind die Betroffenen häufig besonders empfindlich, beispielsweise wenn es um einen unerfüllten Kinderwunsch geht. Sarah nimmt die Kunden dann meist mit in die Beratungsecke, um ungestört reden zu können.
Doch in diesem Notdienst muss Sarah feststellen, dass es auch Menschen gibt, denen sensible Themen gar nicht so sehr am Herzen liegen. Am Abend ist viel zu tun und die Schlange vor der Apotheke reißt nicht ab. Als Nächstes kommt eine junge Frau auf Sarah zu und posaunt lautstark ihren Wunsch heraus: „Ich hätte gerne die Abtreibungspille“, sagt sie schroff. Die wartenden Kunden hinter ihr zucken ebenso zusammen wie Sarah selbst. Die Apothekerin muss kurz schlucken.
„Sie meinen die Pille danach?“, fragt Sarah nach. Die Kundin zuckt mit den Schultern: „Keine Ahnung, wie die heißt, ich will einfach nur kein Kind bekommen“, erklärt sie barsch. „Mit so einem plärrenden Ding kann ich nichts anfangen“, fügt sie abwertend hinzu. Sarah ist geschockt: Sie hat schon einige Beratungen zur Pille danach durchgeführt, aber etwas Derartiges ist ihr noch nicht passiert. Natürlich bleibt die Entscheidung, eine Familie zu gründen oder nicht, jedem selbst überlassen. Sarah findet jedoch, dass auch die Entscheidung gegen ein Kind mit einem gewissen Maß an Respekt ausgedrückt werden kann.
Da der Kundin ihre Privatsphäre scheinbar egal ist, beginnt Sarah mit ihrer Beratung: Sie versucht herauszufinden, ob die Pille danach überhaupt noch in Frage kommt oder das Zeitfenster für die Einnahme bereits überschritten ist. Glücklicherweise ist Letzteres nicht der Fall – bei Sarah stellt sich zumindest ein wenig Erleichterung ein. Sie fragt also alle notwendigen Punkte ab und klärt die Kundin über die Einnahme auf. Sichtlich genervt werden alle Fragen von ihr beantwortet.
Sarah bietet ihr schließlich noch ein Glas Wasser an, damit das Medikament direkt eingenommen werden kann. Nachdem die Kundin sich noch über den „absolut übertriebenen Preis“ beschwert hat, dreht sie sich um und geht. Sarah steht starr hinter der Klappe – und auch vor der Apotheke herrscht für einen Moment Stille, bevor der Betrieb weitergeht und alle den Vorfall verdaut haben.
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