Digitalisierung

Apotheker sollen App-Berater werden Maria Hendrischke, 04.05.2016 10:27 Uhr

Berlin - 

Noch sind digitale Gesundheitsanwendungen für die Akteure im Gesundheitssystem oft ein blinder Fleck. Der Sozialwissenschaftler Dr. Alexander Schachinger forscht zum Thema E-Patient. In Deutschland gibt es nach seiner Analyse bereits 40 Millionen „Gesundheitssurfer“, die sich beispielsweise im Internet über Krankheiten informieren. Daher steige der Druck auf Apotheker und Ärzte, sich mit digitalen Angeboten auseinander zu setzen.

Schachinger führt seit 2010 jährlich eine Befragung unter „E-Patienten“ durch und ist damit in Deutschland Pionier des Forschungsfelds. In diesem Frühjahr erhob er Daten in einer anonymen Online-Befragung. Der Fragebogen wurde über Krankenkassen, Patientenorganisationen und Medien wie die Apotheken-Umschau verbreitet. Auch Unternehmen wie Boehringer Ingelheim und die Versandapotheke Zur Rose wiesen auf ihren Webseiten auf die Umfrage hin.

Schachinger befragte die Teilnehmer zu ihrem Nutzungsverhalten bereits etablierter Internetportale wie Jameda oder der Webseite der Apotheken-Umschau. Hinzu kamen Fragen, die auf die Marktdurchdringung von neueren Anwendungen im Gesundheitsbereich abzielten; den Apps.

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Nutzung von Online-Medikamentenchecks, die beispielsweise von der Apotheken-Umschau angeboten werden, besonders verbreitet ist: 43 Prozent gaben an, einen solchen Dienst bereits verwendet zu haben. Darüber hinaus haben 38 Prozent der Befragten bereits Arzneimittel oder medizinische Geräte im Internet gekauft.

Dagegen haben lediglich 9 Prozent der Umfrageteilnehmer bereits eine App speziell für ihre Erkrankung verwendet. Gut einem Drittel hilft die App nach eigenen Angaben dabei, ihre Krankheit im Griff zu haben. Ebenfalls 9 Prozent gaben an, eine App zu nutzen, die ihnen bei der Verwendung ihres Medizingeräts hilft. 80 Prozent haben damit positive Erfahrungen gemacht und geben an, dass sie wegen der App einen besseren Überblick über ihre Messwerte hätten.

6 Prozent nutzen Apps, die sie dabei unterstützen, Medikamente korrekt einzunehmen, indem sie etwa an die Einnahme erinnern oder den richtigen Umgang mit dem Arzneimittel erklären. Für 43 Prozent der Befragten hat sich durch eine App ihre Therapietreue verbessert; sie geben an, ihre Medikamente regelmäßiger zu nehmen. „Das ist allerdings eine subjektive Einschätzung; man müsste genauer analysieren, inwieweit das stimmt“, betont Schachinger.

Informationen zu für sie geeigneten Apps haben sich 58 Prozent der Teilnehmer im Internet selbst gesucht. Weitere 20 Prozent haben über die Medien von einer App erfahren. 14 Prozent haben einen Tipp aus dem persönlichen Umfeld bekommen, etwa von Freunden oder anderen Betroffenen.

Tatsächlich wünschten sich die Befragten allerdings Hinweise zu den Apps von Gesundheitsexperten. Der Arzt wird von 51 Prozent als Wunschquelle genannt, gefolgt von Krankenkassen (34 Prozent) und Patientenorganisationen (22 Prozent). Erst danach folgt die Apotheke vor Ort: 17 Prozent der Teilnehmer würden gerne von ihrem Apotheker Informationen zu Gesundheits-Apps erhalten. „Ich gehe davon aus, dass diese Zahl allerdings noch höher liegen würde, wenn nicht so viele Patientenorganisationen die Umfrage verbreitet hätten“, schätzt Schachinger. 5 Prozent der Befragten gaben zudem Versandapotheken als Wunschinformationsquelle an.

Aus den Umfrageergebnissen werde deutlich, dass sich zwischen dem Patientenverhalten und dem konventionellen Gesundheitssystem ein Graben befinde, so Schachinger. „Der Arzt ist beispielsweise über die Apps nicht ausreichend informiert und kann daher etwa die Daten seines Patienten nicht einbauen.“ Beide Welten seien noch nicht miteinander vernetzt. „Der Druck steigt aber“, so Schachinger.

An der Befragung nahmen 9090 Nutzer teil, darunter etwas mehr Frauen (54 Prozent) als Männer. Im Durchschnitt waren die Teilnehmer 59 Jahre alt. „'Mein Patient sucht nicht im Internet nach Gesundheitsinformationen' ist also vermutlich eine falsche Annahme“, schließt Schachinger. Entscheidender als das Alter sei die Bildung: Vor allem Patienten mit höheren Bildungsabschlüssen nutzten die digitalen Medien, um Gesundheitsinformationen zu beziehen. 43 Prozent der Befragten haben darüber hinaus angegeben, dass sie chronisch krank seien; 53 Prozent befanden sich zum Umfragezeitpunkt in einer Therapie.