„DiGA sind immer noch eine Blackbox“ dpa/ APOTHEKE ADHOC, 27.02.2024 14:49 Uhr
Eine Reihe von Gesundheitsanwendungen (DiGA) fürs Smartphone können sich Versicherte von der Ärztin oder vom Arzt verschreiben lassen. Wie sieht es mit der Nutzung aus?
Seit Herbst 2020 können digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Kosten der Krankenkassen verordnet werden. Bei deren Einsatz, wie etwa zertifizierten Gesundheits-Apps, gibt es nach wie vor viele Unsicherheiten. Das ist das zentrale Ergebnis des diesjährigen Barmer-Arztreports. Er basiert neben Routinedaten auf Umfragen unter mehr als 1700 Patientinnen und Patienten sowie unter 1000 Ärztinnen, Ärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit Patientenkontakt.
Ungenutztes Potential
Demnach sind DiGA noch nicht weit verbreitet in der medizinischen Versorgung in Deutschland. In den zwölf Monaten vor der Umfrage Ende 2023 hatten 44 Prozent der medizinischen Fachkräfte keine DiGA verschrieben. Ein Drittel gab an, wenig über das Thema zu wissen. „DiGA sind für viele Menschen immer noch eine Blackbox. Zu wenig Detailwissen und falsche Erwartungen führen dazu, dass DiGA zurückhaltend verordnet werden und deren Einsatz oftmals vorzeitig abgebrochen wird“, sagte Barmer-Chef Christoph Straub.
Zu wenig Detailwissen und falsche Erwartungen führten dazu, dass sie zurückhaltend verordnet würden und der Einsatz oft vorzeitig abgebrochen werde. Zu kurz genutzte Apps verursachten aber Kosten ohne nennenswerten Nutzen. Daher brauche es für Versicherte zunächst eine Testzeit von 14 Tagen – statt der bislang gängigen Verordnung über 90 Tage.
DiGA müssen nutzerfreundlicher werden
Mehr als 1700 Versicherte wurden für den Arztreport befragt. Von diesen nutzten etwa 600 Personen den digitalen Helfer nicht länger als die vorgesehenen 90 Tage. Unter diesen 600 Personen waren 230, die ihn weniger als einen Monat nutzten. „Die Inhalte der digitalen Anwendungen müssen unbedingt einheitlich und verständlicher als bislang im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte dargestellt werden“, forderte Straub
Sowohl Personen, die Leistungen erbringen, als auch Patientinnen und Patienten würden profitieren. Dies würde helfen, Hindernisse für den Einsatz zu verringern. So könnten die Anwendungen in der Versorgung etabliert werden. „Der Einsatz von DiGA steckt noch in den Kinderschuhen. Auf längere Sicht können sie aber ein wertvoller Bestandteil in der Versorgung der Patientinnen und Patienten werden. Das Fundament hierfür ist mehr Transparenz“, sagte Professor Dr. Joachim Szecsenyi, Autor des Arztreports und Geschäftsführer des aQua-Instituts in Göttingen.
Nutzung variiert stark nach Alter und Krankheitsbild
Laut den Barmer-Analysen nutzen noch nicht alle Bevölkerungsgruppen DiGA. Insbesondere Menschen im erwerbsfähigen Alter bekommen diese verschrieben. „Geringe Verordnungsraten bei Jüngeren resultieren aus dem oftmals für DiGA-Anwendungen geforderten Mindestalter von 18 Jahren. Niedrige Verordnungsraten bei Menschen jenseits des 70. Lebensjahres deuten auf eine bislang geringere Affinität zu digitalen Anwendungen hin“, so Szecsenyi. Bislang gibt es DiGA nur für einige wenige Krankheiten. Dazu gehören Depressionen, Übergewicht, Tinnitus und Erkrankungen des Bewegungsapparates..
Die Barmer-Umfrage zeigt, dass viele Behandler:innen DiGA positiv sehen. 47 Prozent glauben, dass eine DiGA oft oder sehr oft die Behandlung unterstützt. Eigene Erfahrungen und die Vorliebe für digitale Technologien sind wichtig. Ärzte, die selbst oft Gesundheits-Apps nutzen, verschreiben DiGA mehr als doppelt so häufig. „Junge Menschen finden tendenziell eher den Zugang zu DiGA, weil Apps bereits von früh auf zu ihrem Alltag gehören. Je mehr junge Behandelnde und eine neue Patientengeneration in den kommenden Jahren nachrücken, desto stärker dürfte auch die Zahl an DiGA-Verordnungen zunehmen“, so Straub. Es sei jetzt wichtig, die richtigen Bedingungen für eine breite Nutzung zu schaffen.