Ein Anbieterwechsel lief aus dem Ruder: Sechs geschlagene Wochen musste eine Apotheke aus dem sächsischen Bischofswerda ohne die vielen vertraute Telefonnummer auskommen. Auch ein Apotheker aus Northeim wurde über Tage von der Außenwelt abgeschnitten.
Das Drama in Bischofswerda nahm Ende September mit einem Anbieterwechsel seinen Lauf. Johannes Rainer Klotsche, Inhaber der Stadt-Apotheke, schloss zu Jahresbeginn einen neuen Mobilvertrag mit der Telekom. Gemäß des Unternehmensmottos „Alles aus einer Hand“ rieten ihm die Mitarbeiter, auch mit dem Festnetzanschluss der Apotheke zum Anbieter zu wechseln. Die Telefonie hier sei veraltet, um die heute vorhandenen Möglichkeiten voll auszunutzen zu können, müsse auf einen modernen Speedrouter umgestellt werden. Sein Auftrag werde vordringlich behandelt, habe man ihm versichert, erzählte Klotsche später der Sächsischen Zeitung.
Er kündigte seinen Vertrag beim bisherigen Festnetzanbieter. Doch der neue Anschluss mit der bekannten Apothekennummer ließ auf sich warten. Telefonieren konnte er zunächst gar nicht, Faxe nur über das benachbarte Schreibwarengeschäft senden. Zunächst wurde der 13. Oktober festgesetzt, dann meldete sich der Wechselbeauftragte der Telekom eine Freischaltung für Mitte bis Ende November an. Schneller ginge es bei Beantragung eines Neuanschlusses mit neuer Rufnummer. Die alte könne man später immer noch herüberholen. In seiner Not ging Klotsche auf das Angebot ein.
Für 20. Oktober sei der Besuch der Techniker zwischen 8 und 16 Uhr zu erwarten, so die Ankündigung. „Warten ist wörtlich zu nehmen. 15.30 Uhr erscheint er, prüft und findet kein Signal“, berichtete der Apotheker dem Blatt. Im öffentlichen Schaltkasten habe er es schließlich auftreiben können, von dort aus führe aber kein Kabel in das Haus der Apotheke. Völlig unverständlich, denn von hier aus telefoniere er schon seit DDR-Zeiten. Der Monteur nahm eine Fehlermeldung auf.
Eine Woche später misst ein zweiter Monteur die Leitungen. Auch er findet den alten Anschluss nicht. Zwei Tage später erhält Klotsche einen Anruf vom Telekom-Service: Das Problem müsse am Hausanschluss der Apotheke liegen, Klotsche solle einen neuen beim Bauherrenservice beantragen. Anfang November schalten zwei Telekom-Mitarbeiter aus Bautzen den Anschluss mit neuer Nummer endlich frei. Jetzt blieb Klotsche als letzte Hürde, sich seine alte, den Kunden vertraute Nummer zurückzuholen.
Doch erst der Zeitungsbericht in der Lokalpresse beschleunigte das Verfahren. Kaum war der Artikel erschienen, meldeten sich gleich zwei Servicecenter der Telekom. Sowohl die Mitarbeiter aus Augsburg als auch aus Mecklenburg-Vorpommern entschuldigten sich und versicherten, die bisherige Anschlussnummer werde binnen sieben Tagen wieder verfügbar sein.
Normalerweise erfolge die Umsetzung der Anschlüsse schnell und unkompliziert, heißt es bei der Telekom. In älteren Gebäuden könne es aber immer wieder zu Problemen kommen. „Der Fall unseres Kunden in der Stadt-Apotheke ist in der Tat auffällig“, musste der Telekom-Sprecher gegenüber der Zeitung freilich einräumen. Leider habe man lange Zeit keinen Anschluss schalten können, weil es dafür keinen zuverlässigen Aufschaltpunkt gegeben habe.
Bei Fehlen müsse die Einrichtung vom Gebäudeeigentümer – in diesem Fall Klotsche – separat beauftragt werden. Den Aufschaltpunkt habe es schon zuvor gegeben, widerspricht der Apotheker. Im Haus sei nichts installiert worden. Womöglich seien die beiden Telekom-Mitarbeiter aus Bautzen, die den Anschluss schließlich freischalteten, einfach nur pfiffiger gewesen als die Kollegen davor.
Zu Beginn der letzten Woche war der Anschluss endlich wieder unter der alten Telefonnummer erreichbar – allerdings im Ortsnetz. Wer von außerhalb der Stadt einen Versuch mit der Vorwahlnummer von Bischofswerda machen wollte, bekam wiederholt die Ansage: „Diese Rufnummer ist nicht verfügbar.“ Da blieb nur die Mobilnummer oder ein kostenloser 0800-Zugang. Eine Woche später ist auch diese Panne behoben. Klotsche ist da schon mit den Nerven am Ende und will nichts mehr mit dieser unendlichen Geschichte zu tun haben.
Ähnliches Ungemach musste Wolfram Schmidt in seiner Harztor-Apotheke im südniedersächsischen Northeim durchleben. „In unserem Haus war am vorletzten Montag ein Mitarbeiter der Telekom beschäftigt, der den Anschluss für einen neuen Mieter installieren sollte. Dabei legte er eine Arztpraxis still“, berichtet Schmidt. „Am Dienstag hat er die Arztpraxis wieder angeschlossen und dabei uns vom Netz getrennt.“
Zunächst habe er gar nicht gewusst, warum die Leitungen auf einmal tot gewesen seien. „Wir riefen unseren Telefonanbieter Ecotel an und erhielten die Auskunft, dass auf ihrer Seite alles in Ordnung war.“ Ecotel als Nutzer der von der Telekom zur Verfügung gestellten Leitungen habe dann der Telekom als den Auftrag erteilt, so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen. „Am Mittwoch war noch immer nichts passiert, da platzte mir der Kragen und ich verfasste eine Beschwerdemail an den Telekom-Vorstand.“
Leider müsse er diesen Weg beschreiten, da im Konzern mal wieder niemand zuständig sei, schrieb der Apotheker an den Vorstandsvorsitzenden Timotheus Höttges. „Dass keine Hilfe angeboten wird, sondern sich hinter von Ihnen aufgestellten Anweisungsblasen versteckt wird, ist ja normal.“ Höttges solle umgehend dafür sorgen, dass die Harztor-Apotheke wieder erreichbar sei. „Offensichtlich beschäftigen Sie in Ihrem Unternehmen zwischenzeitlich nur noch unqualifiziertes Personal (dies ist eine ausnehmend freundliche Beschreibung der Qualität Ihrer Mitarbeiter!!!).“ Seit über 24 Stunden sei sein Betrieb stillgelegt. „Wenn ich dann über Ihre Störungsstelle auf Abhilfe dringe, bekomme ich nur gesagt, man könne mir nicht helfen, dies müsse über meinen Dienstleister beantragt werden.“ Dabei sei das längst geschehen.
„Bitte lassen Sie mir außerdem eine Bestätigung über den Vorgang zur Vorlage bei meiner Aufsichtsbehörde, der Apothekerkammer, zukommen, damit ich dort nachweisen kann, dass mein rechtswidriges Verhalten von Ihnen verursacht wurde. Gleichzeitig muss ich ein solches Schreiben dem Bundesfinanzministerium vorlegen, da ich meiner Pflicht zur Umsatzsteuermeldung nicht fristgerecht nachkommen konnte, ebenfalls aufgrund des Fehlverhaltens Ihres Mitarbeiters.“
Eine Rechnung über den entstandenen Schaden werde Höttges zeitnah zugestellt. Bei der Verbraucherberatung Niedersachsen werde er überdies beantragen, der Telekom im Wiederholungsfall „einen Schadensersatz von 100.000 Euro für jeden Fall der Schädigung“ berechnen zu lassen.
Nach Maileingang sei alles ganz schnell gegangen. „Am nächsten Tag meldete sich ein Telekom-Servicecenter aus Leipzig. Eigentlich ginge es das nicht so einfach, aber aus Kulanzgründen werde man bei uns eine Ausnahme machen.“ Am Donnerstagmittag stellte ein Mitarbeiter die Verbindung wieder her.Neben der Harztor-Apotheke gehören Schmidt noch drei weitere Betriebe in Northeim, die Mühlen-Apotheke, die Albert-Schweitzer-Apotheke und die Apotheke am Wieter. Womöglich hätte die Telekom schneller reagiert, wäre er Mitte 2016 nicht zu Ecotel gewechselt. „Ich wollte eine zentrale Telefonanlage mit digitalem VoIP haben, um alle drei Apothekenstandorte technisch zukunftsfähig zu machen“, so Schmidt. „Ich hatte keine Lust auf Zwischenlösungen, ich wolle etwa schaffen, das mich überlebt, wen ich vielleicht irgendwann einmal verkaufe. Ein vergleichbares Produkt bot die Telekom zu diesem Zeitpunkt noch nicht an.“
Ganz reibungslos sei die Umstellung nicht vonstatten gegangen, räumt der Apotheker ein. „Die Gesprächsqualität ist noch nicht so gut wie beim alten Anschluss.“ Besonders große Probleme gab es bei der Umstellung des Faxempfangs, denn der sei nach wie vor nur analog möglich. „Die Altenheime, die wir beliefern, schicken ihre Bestellungen über Fax. In vielen Fällen kamen sie gar nicht an.“ Etwa ein dreiviertel Jahr habe es gedauert, bis dieses Problem in den Griff bekommen worden sei. Ironie der Geschichte: Die Harztor-Apotheke schließt zum Jahresende ihre Tore. Alle Mitarbeiter werden in die anderen Apotheken übernommen.
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