Digitale Transformation

Die wilde Markenberaterin

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Berlin -

Viviane Wilde hat noch nie ein Medikament online bestellt. Wo es bei ihr in Köln doch so eine gute Apotheke gibt. Vor Ort! Um die Ecke. Man trifft dort auf Menschen, die sich auskennen, zuhören. Internet ist toll, vermag aber eben nicht alles. Auf der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC erklärt die Medienökonomin und Beraterin, wie sie sich digitale Transformation vorstellt. Ihr Rat: Du sollst keine Liebe kaufen. Tickets für die Veranstaltung unter dem Motto „The Next Generation“ gibt es hier.

Ihre berufliche Leidenschaft gehört der Markenführung und Markenrestrukturierung. Das mag ein wenig dröge klingen, ist es aber nicht. Weil jeder Unternehmer, der erfolgreich sein möchte, sich damit beschäftigen sollte. Von der kleinen Landapotheke bis zum globalen Unternehmen, Markenführung ist ein wichtiger Aspekt des Erfolgs. „Ich begleite fast jede Unternehmensform vom mittelständischen Familienunternehmen bis zum großen Pharmakonzern, wenn sie sich neu ausrichten wollen“, sagt Wilde. Wenn man im Supermarkt zur lilafarbenen Schokolade greift, obwohl die hellgelbe günstiger ist und vielleicht auch gut schmeckt – was man nur leider nie erfahren wird –, dann haben irgendwo Markenexperten ihre Sache gut gemacht.

In vielen Unternehmen kommt der Zeitpunkt, an dem man merkt, dass die Marke, wie sie gelebt und definiert wurde, ausgebremst wurde oder wird. Von der Konkurrenz. Oder man steht sich, beinahe noch schlimmer, selbst im Weg. Weil der gute alte Werbe-Claim, der jahrelang funktioniert hat, nicht mehr zieht. Der kann doch nicht plötzlich falsch sein! Verkaufszahlen sprechen da schon oft eine andere Sprache. Und die externen Berater werden nervös. Aber wer weiß schon genau, ob die den Stein der Weisen hüten oder schlicht auch keine Ahnung haben und nur hohe Rechnungen schicken?

„Letztens hat mir jemand gesagt: ‚Viviane, du musst in der Lage sein, in einem einzigen Satz zu sagen, was genau du eigentlich beruflich tust. Sonst isses nix!‘ Ich habe eine kurze Weile darüber nachgedacht, hier ist das Ergebnis: Ich bringe Menschen bei, wie man mit Menschen redet“, erklärt sie.

Wilde erläutert gleich auch noch die digitale Transformation und die scheint ebenfalls geradezu verblüffend einfach zu sein: „Im Grunde stehen wir heute da, wo wir vor 80 Jahren schon einmal waren. Damals, als es weder Radio noch Fernsehen gab. Damals haben sich die Menschen auch gegenseitig empfohlen, wo es die schicke Uhr oder den tollen Friseur gibt. Heute haben wir das massenhaft auf der Welt, jederzeit verfügbar.“

Der Influencer hieß damals halt Oma Kasuppke statt Bibi oder war der Kollege im Büro. Wildes Fazit: „Das ist eigentlich gar nicht so wahnsinnig fancy und glamourös.“ Aus ihrer Sicht ist es sogar einfach: „Es ist wie nach Hause kommen und Unterhaltungen führen. Social ist ein dialogisches Grundprinzip, Menschen führen Unterhaltungen. Wir müssen uns überlegen, wie wir in die Unterhaltung dieser Menschen kommen. Wie werden wir empfohlen?“ Ihre Erkenntnis: „Social ist kein Kanal! Das wird häufig missverstanden, weil Marketingexperten alles so aufgeblasen haben.“

Hat man seine Hausaufgaben gemacht, muss man nur noch klären, womit man ins Gespräch kommen möchte. „Worüber möchte ich reden?“, erläutert Wilde. In diesem Moment beginnen viele, hektisch ihr Glück online zu versuchen. Schnell eine Facebook- und Instagram-Seite eingerichtet, loslegen. Völlig verkehrt. Besser ist: innehalten. Und einen Profi wie Wilde engagieren.

Dass sie keine blinkende Website unterhält, sollte einen dabei nicht abschrecken. „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“, steht auf der Website von Bockstein Consulting zu lesen. Das könnte Erstaunen auslösen. Sie erklärt: „Für eine kesse Website ist gerade keine Zeit. Ich arbeite nämlich. Wenn Sie Interesse an meiner Beratung, Vorträgen oder Referenzen haben, schreiben Sie mir gern.“ Eine kokette Form der Kundengewinnung, die zu funktionieren scheint. Wilde berät Unternehmen wie Fisherman‘s Friend, Bayer oder Verpoorten, aber auch Telefonie- und Energieunternehmen.

Sie wird zu Vorträgen eingeladen und versteht es, den komplexen Begriff digitale Transformation zu erklären. Aha, denkt sich der Apotheker. Und was habe ich damit zu tun? Mir reichen schon mein Abrechnungschaos, die letzte Retaxation, der Fachkräftemangel und auf Facebook liegt der letzte Post auch schon wieder drei Wochen zurück. Weil niemand Zeit dafür hat.

Ideale Ausgangsbedingungen für eine Analyse. „Ich starte wie auf einem weißen Papier“, erklärt die 32-Jährige. Wo steht das Unternehmen? Was ist die DNA, wer sind die Menschen, die es ausmachen, sind die ersten Fragen. Ob man auf Instagram oder Facebook ist, spielt in diesem Stadium noch keine Rolle. „Es gibt unfassbar viele Plattformen und Möglichkeiten“, erläutert sie, „wichtig ist, zu schauen, wo stehen wir, wie werden wir als Unternehmen wahrgenommen, wie reden die Menschen über uns.“ Viele Likes seien nicht gleichbedeutend mit vielen verkauften Produkten. Und wer meint, er könnte Liebe kaufen, begeht einen Irrtum. „Empfehlungen kann man sich nicht kaufen, man muss sie sich erarbeiten.“ So bringt man seine Marke auf Trab. Sagt Frau Wilde und wenn sie das temperamentvoll vorträgt, nimmt sie dem Internet all seinen Schrecken. Zu erleben auf VISION.A.

Wie nutze ich das Internet für die Apotheke, wie schaffe ich es, dass ich ins Gespräch komme – und im Gespräch bleibe? Warum Markenführung auch für Apotheken interessant ist, erklärt Viviane Wilde bei der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC. Rund 30 hochkarätige Top-Speaker widmen sich am 20. und 21. März in Berlin dem wichtigsten Zukunftsthema der Branche. Neben Professor Dr. Jürgen Schmidhuber, einer der Väter der Künstlichen Intelligenz, dessen Algorithmen von Apple über Facebook bis Google Anwendung finden, spricht unter anderem Viktor Mayer-Schönberger, international renommierte Koryphäe auf dem Gebiet des datengetriebenen Kapitalismus. Dunja Hayali zeigt auf, wie man mit kontroversen Diskursen in sozialen Medien umgeht, während der Biologe und Fotograf Florian Kaps zeigt, wie man das Analoge ins digitale Zeitalter rettet. Mit den VISION.A Awards werden auch in diesem Jahr wieder die innovativsten Konzepte und Geschäftsideen ausgezeichnet. Alle Informationen und Tickets gibt es hier.

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